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Vietnamesische Schüler : Bloß nicht zu viel Integration

Strebsam: Die Kinder vietnamesischer Einwanderer sind an deutschen Schulen oft erfolgreich Bild: Andreas Pein / F.A.Z.

Je angepasster ausländische Schüler in Deutschland sind, desto besser? Von wegen. Das Beispiel vietnamesischer Zuwanderer widerlegt die herkömmlichen Theorien.

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          Frau Ton kam einmal in der Woche zum Putzen. Sie war eine zuverlässige, liebenswürdige und großzügige Frau. Einmal brachte sie eine ganze Platte mit köstlichen selbstgemachten Frühlingsrollen vorbei, einfach so. Ihr Mann arbeitete in einem vietnamesischen Restaurant. Die Kinder der Tons waren damals noch klein. Sehr wahrscheinlich haben sie inzwischen Abitur gemacht, studiert und einen guten Beruf ergriffen. Wer Vietnamesen kennt, kennt solche Geschichten: von Eltern, die keine gute Ausbildung genossen haben und für ein paar Euro die Stunde Hilfsarbeiten erledigen, und von ihren Kindern, die auf das Gymnasium gehen, gute Noten nach Hause bringen und später als Mediziner, Ingenieure, Naturwissenschaftler oder Informatiker gefragt sind.

          Lisa Becker
          Redakteurin in der Wirtschaft

          Der Nachwuchs vietnamesischer Einwanderer ragt in der Schule heraus. In sozial schwachen Bezirken in Berlin, wo besonders viele Vietnamesen wohnen, verbessern sie die Schulabbrecherstatistik erheblich. Insgesamt besucht mehr als die Hälfte das Gymnasium. Und im Pisa-Test haben sie besser abgeschnitten als Kinder deutscher Herkunft. Noch erfolgreicher sind unter Zuwanderern, die nicht aus westlichen oder EU-Ländern kommen, nur Iraner und Koreaner. Bei Ersteren verwundert das nicht, gehörten ihre Familien doch schon im Heimatland zur Elite. Und die Koreaner sind mit rund 30.000 Menschen im Vergleich zu den mehr als 100.000 Vietnamesen eine kleine Gruppe in Deutschland.

          Der große Bildungserfolg der aus vietnamesischen Familien stammenden Schüler verlangt nach Erklärungen. „Bisher blieben die Vietnamesen in der Forschung aber relativ unbeachtet“, sagt der Hamburger Erziehungswissenschaftler Olaf Beuchling. Das liegt nach seiner Ansicht daran, dass sie althergebrachte Theorien widerlegen. Denn genauso wie zum Beispiel türkischstämmige Kinder und Jugendliche werden sie oft von Eltern großgezogen, die wenig gebildet sind, nicht gut Deutsch sprechen und eher unter sich bleiben. Bildungserfolg ist für sie deshalb nach gängiger Auffassung genauso wenig wahrscheinlich wie für Kinder türkischer Herkunft. In Wirklichkeit klafft aber zwischen beiden Gruppen eine weite Lücke. Doch was macht den Unterschied aus?

          „Die Erwartungen der Eltern sind hoch“

          Beuchling beschäftigt sich seit gut 15 Jahren mit dem Bildungserfolg vietnamesischer Schüler. Er finde sich überall auf der Welt, im eigenen Land genauso wie in der Diaspora. „Da kommt man am kulturellen Hintergrund nicht vorbei.“ Auffallend sei eine starke Korrelation zwischen Bildungserfolg und Konfuzianismus, von dem Vietnam, das chinesische Provinz war, stark beeinflusst sei. In dieser Lehre ist der Aufstieg durch Bildung schon seit rund 2000 Jahren ein Ideal; er hebt das Ansehen der ganzen Familie. „Dies haben die Vietnamesen verinnerlicht. Bis heute sind die Erwartungen der Eltern hoch“, erklärt Beuchling. Das spiegelt sich auch in Redensarten wider wie: Hat ein Kind Erfolg, dann ist es der Stolz der Familie. Eltern seien hoch angesehen. „Und es ist die Aufgabe der Kinder, gut in der Schule zu sein.“ So verbringen sie, das berichten auch andere Beobachter, fast ihre ganze Freizeit mit Lernen und Bildungsaktivitäten - mehr noch als deutsche Kinder aus den oberen Schichten.

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