Deutsche und amerikanische Unis : Wenn Studenten sich beschweren
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Der deutsche Student weist die Klage der amerikanischen Kommilitonin als „lächerlich“ zurück. Bild: Picture-Alliance
Die Einladung an die Eltern, den Campus zu besuchen, ist in den Vereinigten Staaten gang und gäbe. Doch das ist sicher nicht der gravierendste Unterschied zwischen deutschen und amerikanischen Universitäten.
In den Vereinigten Staaten werden Universitäten zum Teil nach dem Zahlenverhältnis von Studenten und Professoren sowie der Größe der Kurse beurteilt. An den führenden Universitäten und Colleges ist das Verhältnis in der Regel niedriger als 10:1. Aus Daten von „U.S. News“ geht hervor, dass selbst an so großen staatlichen Universitäten wie der von Michigan das Verhältnis 16:1 beträgt. An der Columbia University haben 81 Prozent der Kurse weniger als zwanzig Studenten. An großen staatlichen Universitäten ist die Teilnehmerzahl pro Kurs in der Regel größer. Der Prozentsatz der Kurse mit weniger als zwanzig Studenten liegt an den Universitäten Berkeley, UCLA, Virginia und Michigan beispielsweise zwischen 48 und 68 Prozent. Nur fünf Prozent aller Kurse an der University of Chicago werden von mehr als fünfzig Studenten besucht, während die entsprechenden Zahlen für staatliche Universitäten wie Berkeley, Michigan, Penn State, Virginia und Wisconsin zwischen vierzehn und zwanzig Prozent liegen. Aber exorbitant hoch sind diese Zahlen auch nicht.
Untersuchungen haben für die Vereinigten Staaten ergeben, dass je größer die Institution ist, es desto unwahrscheinlicher ist, dass der Student wirklich im Mittelpunkt steht. Eine ähnliche Korrelation mag es wohl in Deutschland geben, wo hauptsächlich in große Universitäten investiert worden ist, und zwar zu Ungunsten der Förderung unterschiedlich großer Universitäten. Aus Umfragen in Deutschland geht hervor, dass siebzig Prozent der Studenten an Universitäten überhaupt nicht oder nur selten mit einem Professor sprechen, eine Zahl, die amerikanische Pädagogen entsetzen würde.
Vergleichende Statistiken über den unmittelbaren Kontakt zu Studenten zeigen, dass zwischen Deutschland und Amerika Abgründe klaffen. Eine 2013 veröffent- lichte Umfrage enthüllt, dass 79 Prozent der amerikanischen Professoren eine individualisierte Betreuung anbieten, in Deutschland sind es nur 37 Prozent; 92 Prozent der amerikanischen Professoren berichten von einem persönlichen Umgang mit den Studenten, in Deutschland können nur 42 Prozent das von sich sagen. Die Zahlen für Deutschland bezüglich dieser zwei Fragen sind von allen neunzehn Ländern, die in der Umfrage vorkommen, die bei weitem niedrigsten.
Amerikanische Studenten sind handverlesen
Das deutsche System, in dem die Studenten entweder schwimmen lernen oder untergehen, mag seine Vorteile haben, da es die Eigenständigkeit fördert. Aber es wäre effizienter, wenn nur die Studenten zur Universität zugelassen würden, von denen man meint, dass sie das Zeug dazu haben, und diese dann besser zu unterstützen. Unbeschadet dessen, dass im deutschen System eigenständiges Lernen gefordert ist, fördert auch das amerikanische System mit seinen kleinen Kursen und Diskussionsgelegenheiten autonomes Lernen. Die besten amerikanischen Universitäten arbeiten nach dem Modell, dass alle, die aufgenommen werden, großzügige Unterstützung erhalten, da von ihnen ja vorausgesetzt wird, dass sie in der Lage sind, ein Studium erfolgreich abzuschließen.
Meine deutschen Bekannten, die als Gastdozenten in den Vereinigten Staaten gelehrt haben, sprechen in der Regel positiv über ihre Erfahrungen mit amerikanischen Studenten. Das hat nichts damit zu tun, dass unsere Studenten mehr wüssten. Es hat vielmehr damit zu tun, dass es Spaß macht, so wissbegierige Studenten zu unterrichten, die zu jeder Sitzung gut vorbereitet sind und, gleichgültig welches Thema gerade auf dem Plan steht, stets sehr neugierig sind. Anders als in Deutschland sind diese Studenten durch eine Auslese gegangen und ihre Familien haben so manches Opfer gebracht, um ihnen diese wertvolle Erfahrung zu ermöglichen.