Studienfachwahl : Mut zum Wechsel
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Ganz sicher ist sich Andreas Wegner zunächst nicht, ob er wirklich über seine Hochschulkarriere sprechen soll. „Ein Interview mit echtem Namen? Also ich weiß nicht ...“ Schon zweimal hat der Freiburger, heute 30 Jahre alt und noch immer Student, eine falsche Fächerwahl getroffen - und vor dem Examen aufgegeben. Zunächst 2004 nach sechs Semestern Geschichte und Deutsch an der Uni, dann noch einmal 2008. Nachdem er mit der universitären Lehrerausbildung nicht glücklich wurde, war er an die Pädagogische Hochschule gewechselt. Mit dem gleichen Ziel, Lehrer zu werden - und mit dem gleichen Misserfolg.
Stolz ist Wegner auf seinen Werdegang nicht. Ganz so unglücklich, wie man vielleicht meinen könnte, ist er allerdings auch nicht. Es habe lange gedauert, bis die Orientierung gestimmt habe, gibt er zu. "Aber offenbar habe ich die Zeit gebraucht." Glaubt man den Experten, muss Wegner sich auch nicht grämen. Denn er befindet sich in guter Gesellschaft: Jeder fünfte Student schließt sein Erststudium nicht ab und wechselt stattdessen das Studienfach. Jeder vierte beendet sein Studium am Ende überhaupt nicht. Und für nicht wenige, betont Ulrich Heublein von der Hochschul-Informations-System GmbH (HIS), ist das Ausweichmanöver Studienfachwechsel der erste Schritt zum kompletten Abschied von der akademischen Laufbahn.
Das hört sich dramatisch an, ist es aber vielleicht gar nicht. Denn mehrere Untersuchungen bescheinigen Abbrechern gute Berufschancen. Und Karriere- und Personalexperten wissen, dass es oft gerade die fachliche Umorientierung ist, die Schwung ins Studium und damit für die Karriere bringt. „Wenn jemand umsattelt“, sagt etwa Michael Heidelberger von der Stuttgarter Personalberatung hrpartners, „heißt das zumeist, dass er seinen eigenen Werdegang schon einmal kritisch hinterfragt hat. Und das kann in keinem Fall schlecht sein.“ Von wenigen Berufsfeldern wie der Unternehmensberatung abgesehen, wo ein schnelles Studium und Bestnoten nahezu unabdingbar sind, werden Fachwechsler durchaus akzeptiert. „Wenngleich frühe Umorientierungen lieber gesehen werden als späte.“
Bringen Sie Ihren Traum mit der Realität in Einklang!
Nach ein bis zwei Jahren sollten Betroffene erkannt haben, dass sie in die falsche Richtung laufen, fordert Heidelberger. Diese Einschätzung teilt auch Madeleine Leitner, die als Psychologin und Coach in München arbeitet. Allerdings könnten auch spätere Umstiege noch Sinn machen, betonen beide. Auch Unternehmensvertreter stimmen ihnen zu. „Es nützt nichts, wenn jemand irgendwann erkennt, dass er Schauspieler werden möchte, dann aber sein BWL-Studium durchzieht“, findet Oliver Maassen, Direktor für „Human Resources“ der Bank Unicredit. Deshalb rät er Studenten: „Definieren Sie Ihren Traum, und bringen Sie ihn in Balance mit der Realität.“ Wenn es sein muss, auch mit drastischen Schritten. Viele Studieneinsteiger kennen ihren Traum aber überhaupt nicht - oder setzen sich nicht intensiv genug mit ihm auseinander. Sehr oft, berichtet etwa Madeleine Leitner aus ihrer Beratungspraxis, seien sich Abiturienten der Tragweite ihrer Fachwahl nicht bewusst. Statt sich zu fragen, was sie später machen wollten, orientierten sie sich an den Schulfächern, in denen sie gut gewesen seien - oder an ihren aktuellen Interessen.
Christian Müller zum Beispiel. Die Börse fand der junge Mann aus Dinslaken im Ruhrgebiet am Ende seiner Schulzeit spannend - und studierte, aus seiner Sicht folgerichtig, Wirtschaftswissenschaften. Knapp vier Semester ging das gut. Erst in seinem zweiten Studium, dieses Mal an der Fachhochschule und im Fach Medientechnik, erkannte er, dass es doch eher sein ebenfalls schon zur Schulzeit vorhandenes Interesse an Technik ist, das auch ein ganzes Berufsleben tragen könnte. Inzwischen arbeitet er als selbständiger IT-Berater.