Studenten aus dem Ausland : Ein Umzug für immer
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Pranati Roy kam nicht nur zum Studium nach Deutschland - sondern auch aus Liebe Bild: Kaufhold, Marcus
In Deutschland studieren? Ja, gerne! Für immer hier bleiben? Nun ja ... So denken viele ausländische Studenten und scheuen Papierkram, Bewerbungshürden und Bratwurst-Image. Von dreien, die es trotzdem gewagt haben.
Es war an einem kühlen 3. Oktober, als Li Du zum ersten Mal in Deutschland landete. Sie war 21 Jahre alt, studierte Germanistik im chinesischen Nanjing und nahm an einem Austauschprogramm teil. Sie wähnte sich gut vorbereitet. Doch zu ihrer Überraschung stand sie in München erst einmal überall vor verschlossenen Türen. „Die Geschäfte waren zu, die Univerwaltung und natürlich auch das Büro des Studentenwerks, wo ich meinen Wohnheimschlüssel abholen sollte“, erinnert sie sich. „Ich hatte ja keine Ahnung, dass der 3. Oktober hier ein Feiertag ist. Und ich wusste erst mal nicht, wo ich jetzt übernachten sollte.“ Einen Schlafplatz fand sie schließlich, indem sie einen früheren Tandem-Sprachpartner anrief, den sie während ihres Studiums in China kennengelernt hatte. Was für ein glücklicher Zufall, dass dieser aus München kam und ihr eine Couch für die Nacht anbot.
Generell spielte der Zufall für Li Dus Geschichte eine bedeutende Rolle. Denn lieber als Germanistik hätte sie etwas ganz anderes studiert; Mathematik, Maschinenbau oder Physik. „Aber in China kann man das nicht so frei entscheiden.“ Ihre Noten waren für diese dort sehr beliebten Studiengänge nicht gut genug. „Ich war allerdings ziemlich gut in Fremdsprachen, und so wurde es eben Germanistik.“ Ihr Studiengang kooperierte mit der LMU München und schickte seine Leute regelmäßig für ein Jahr dorthin. Trotz des holperigen Starts war Li Du begeistert. „Nach dem Austauschjahr ging mir Deutschland nicht mehr aus dem Kopf. Ich wollte unbedingt wieder hin.“ Nach ihrem Bachelorabschluss fand sie einen Weg: Ein Traineeprogramm des Deutschen Studentenwerks führte sie nach Sachsen, wo sie an der TU Freiberg anderen chinesischen Studenten half, sich zurechtzufinden. Sie übersetzte Dokumente für ihre Landsleute, organisierte Wohnheimplätze und schuf einen Notfall-Schlüsselservice für Neuankömmlinge an Feiertagen. Außerdem begann Du ein zweites Studium - diesmal in der ersehnten Richtung: Wirtschaftsmathematik.
Heute ist Li Du 25 Jahre alt und demnächst mit ihrem Zweitstudium fertig. Zurück nach China will sie auch dann nicht. „Meine erste Stelle soll hier in Deutschland sein“, sagt die junge Frau. „Vielleicht bei einer Bank, vielleicht in der Logistikbranche.“ Fachkräftehungrige Arbeitgeber dürften da aufhorchen. Denn mit zwei Studienabschlüssen, fließenden Deutsch- wie Chinesischkenntnissen und ihrem mühelosen Hin- und Herspringen zwischen beiden Ländern bringt Li Du eine äußerst verlockende Qualifikationsmischung mit. Plus die nötige Begeisterung für Deutschland: „Ich lebe wahnsinnig gerne hier. Ich genieße die Freiheiten im Studium, bei der Berufswahl, aber auch bei den kleinen Dingen des Alltags. Zum Beispiel, dass ich einfach jeden Tag anziehen kann, was ich möchte, ohne dass ich auf der Straße angestarrt werde, weil ich bunte Farben trage.“
Menschen wie Li Du sind selten. Denn noch immer sind bei Hochqualifizierten aus aller Welt, die im Ausland arbeiten möchten, die Vereinigten Staaten, das deutlich beliebtere Ziel. Deutschland gewann zwar jüngst unter gutausgebildeten Südeuropäern an Attraktivität, doch Nicht-EU-Ausländer tun sich schwer. Vor allem die Sprachbarrieren empfinden viele als hoch. Einige haben auch ein veraltetes Deutschlandbild im Kopf, das irgendwo zwischen Sauerkraut, Goethe und Blasmusik angesiedelt ist. Es sei denn, sie haben hier studiert. „Über keinen anderen Weg klappt die Integration ausländischer Fachkräfte in den deutschen Arbeitsmarkt so gut wie über die Uni“, sagt Wido Geis, der am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) zum Thema forscht. Von den sogenannten Bildungsausländern, die zwischen 2001 und 2010 einen Abschluss hierzulande gemacht haben, lebten 2011 noch 44 Prozent in Deutschland, hat Geis zusammen mit Kollegen ausgerechnet.