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Parkposition Universität : Der Scheinstudent, das flüchtige Wesen

  • -Aktualisiert am

Studenten bekommen oft vergünstigten Eintritt. Das lockt Betrüger an. Bild: Imago

Krankenversicherung, Bahnfahrten, Eintritte ins Museum: Ermäßigungen für Studenten locken Täuscher an. Sogar von Ausbildungsnomaden ist die Rede. Ihnen auf die Spur zu kommen ist fast unmöglich.

          5 Min.

          Lena B., 18 Jahre alt, hat sich nach dem Abitur an einer Hochschule eingeschrieben. Dabei will sie gar nicht studieren. Erst mal ein Jahr ausspannen, dann eine Ausbildung starten, so ihr Plan. Ein halbes Jahr später hat sie zwar den Ausbildungsvertrag in der Tasche, aber eingeschrieben an der Uni bleibt sie weiterhin - bis zum Sommer, wenn ihre Ausbildung startet. Bis dahin will sie noch durch die Weltgeschichte reisen. Einen Hörsaal wird sie in dem gesamten Jahr aber nicht betreten haben.

          Ist Lena B. eine Ausnahme? Im Netz wird heftig darüber diskutiert, ob sich ein „Fake-Studium“, wie man es hier nennt, wieder lohnt. Die Frage kann man wohl mit Ja beantworten, denn der Fake-Student genießt meist freie Fahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln, erhält einen günstigen Tarif bei seiner Krankenkasse, außerdem ermäßigte Eintritte in Theater, Kino, Schwimmbad oder Museum. Und die Eltern bekommen lückenlos Kindergeld ausgezahlt.

          Tatsache ist aber auch: „Fake-Studenten“ gehen in die Studienabbrecher-Statistik ein. Zwar gab es solche „Parkstudierende“, so eine weitere Bezeichnung, schon immer. Doch waren das früher eher Langzeitstudenten, so hat sich das Phänomen heute gewissermaßen nach vorn verlagert. Die Abschaffung der Wehrpflicht und die verkürzte Schulzeit verleiten junge Leute dazu, sich nach dem Abi-Stress erst mal ein Zwischenjahr - Stichwort „Work & Travel“ - zu nehmen. Der Haken daran: Sie verlieren in diesem Jahr ihren Schülerstatus, haben aber noch nicht den Status eines Studenten oder Auszubildenden. Und damit verlieren sie den Anspruch auf günstige Tarife in Krankenkassen und auf Kindergeld.

          Wie viele Fake-Studenten gibt es überhaupt?

          Letzteres wird nur für eine viermonatige Übergangszeit zwischen Schule und Uni oder Ausbildungsbeginn problemlos weitergezahlt. Hält die Überbrückungszeit länger als vier Monate an, muss für die Kindergeld zahlende Familienkasse nachgewiesen werden, dass man sich ernsthaft und frühestmöglich um einen Ausbildungsplatz beworben hat. Bei einem Auslandsjahr nach dem Abitur ist der Besuch einer Sprachschule („fachlich autorisierte Stelle“) obligatorisch. Jobbt das Kind nur, wird das Kindergeld gestrichen. Allein das Fehlen des Kindergeldes aber reißt bei vielen Familien monatlich ein Loch von rund 200 Euro in die Kasse. Für ein Semester summiert sich der Verlust schnell auf 1200 Euro. Da lohnt sich die Einschreibung an einer Hochschule also - selbst wenn man dort 280 Euro Semestergebühr zahlen muss.

          Aber wie viele Fake-Studenten gibt es überhaupt? Das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) befasst sich seit Jahren mit der Entwicklung der Studienabbruchquoten. „Sicher gibt es Studienberechtigte, die sich rein aus sozialversicherungsrechtlichen Gründen einschreiben“, sagt Johanna Richter, eine der Autorinnen des Abbruchquoten-Berichts 2014. Man habe aber nicht feststellen können, dass diese Gruppe in den vergangenen Jahren enorm gewachsen sei. Allerdings waren von 40 000 Fragebögen, die das DZHW im vergangenen Sommersemester an Exmatrikulierte schickte, nur 7000 zurückgekommen. Dass sich ausgerechnet „Fake-Studenten“ bei dieser Aktion geoutet haben, darf bezweifelt werden. „Diese Gruppe ist schwer zu fassen“, so Johanna Richters Fazit.

          Stephan Determann, Leiter der Zentralen Studienberatung an der Uni Bremen, sieht es genauso: „Wie viele es sind, kann ich nicht sagen, die Gespräche werden statistisch nicht erfasst.“ Das ist nicht nur in Bremen, sondern bei allen befragten Unis so. Man ignoriert das Phänomen offenbar und „geht bei Einschreibung von einem ernsthaften und nachhaltigen Studierwunsch aus“, wie der Pressesprecher der Universität Frankfurt betont. Christina Vocke, Dezernentin für Studentische Angelegenheiten der Uni Bremen, findet diese Haltung sogar vertretbar: Da die „Parkstudierenden“ sich bevorzugt in nichtzulassungsbeschränkte Fächer einschreiben, „verdrängen sie keine anderen Studierwilligen und spielen in den ganzen Fragen von begrenzten Kapazitäten keine Rolle“. Zumal: „Wenn sie nicht erscheinen, kosten sie auch keine Lehr-Ressourcen.“ Diese Haltung ist auf den ersten Blick verständlich, denn die Hochschulen erhalten „Kopfgeld“ - das heißt, die Höhe der staatlichen Zuwendungen richtet sich nach der Anzahl der Studienanfänger.

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