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Methodenstreit in Schulen : Haubtsache schraibän!

  • -Aktualisiert am

Bei der Methode „Lesen durch Schreiben“ nutzen Kinder ihr Gehör und eine Anlauttabelle, um Lesen und Schreiben zu erlernen. Die Methode ist jedoch umstritten. Bild: Imago

„Schreiben nach Gehör“ oder Fibel? Die aktuelle Debatte über die Methoden, mit der Grundschüler lesen und schreiben lernen, lässt nicht nur Eltern zweifeln. Auch angehende Lehrer sind verwirrt.

          6 Min.

          Marius Boberschmidt studiert im fünften Semester Grundschullehramt an der Bergischen Universität Wuppertal. Derzeit befasst er sich in seinem Bachelor-Studium vor allem mit der Frage, wie er Kindern in seinem späteren Berufsleben das Rechnen beibringt. Um die Frage, mit welchen Methoden Kinder das Lesen und Schreiben erlernen können, ging es bei ihm schon vor mehr als einem Jahr. Gerade erst ist aber genau diese Frage überraschend wieder ganz aktuell geworden. Seit knapp zwei Wochen diskutiert ganz Deutschland darüber.

          Schuld daran ist Una Röhr-Sendlmeier, Professorin für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie an der Universität Bonn und studierte Linguistin. Mit ihrem Kollegen Tobias Kuhl und vielen studentischen Mitarbeitern hat sie eine aufsehenerregende Studie veröffentlicht. Dafür wurden gut 300 Kinder im Großraum Bonn zunächst nach ihrer Einschulung im Jahr 2013 auf ihre Vorkenntnisse im Lesen und Schreiben getestet.

          Danach seien fünfmal jeweils halbjährlich Diktate ausgewertet worden. Zusätzlich wurden auch die Orthografie-Kenntnisse von gut 2800 Kindern aus den Klassen zwei bis vier untersucht. Nach Auswertung der erhobenen Daten erwies sich die sogenannte Fibelmethode als die wirksamste, was die Einhaltung der Rechtschreibregeln betraf. Am Ende der vierten Klasse machten im Schnitt all jene Kinder, die nach alternativen Methoden unterrichtet wurden, deutlich mehr Rechtschreibfehler als die „Fibelkinder“.

          Eltern und Studierende überfordert

          Nach Veröffentlichung der Studie kochte die Debatte über die richtige Art, zu unterrichten, derart hoch, dass etwa Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst kürzlich ankündigte, dass das Lesenlernen nach der sogenannten „Lesen durch Schreiben“-Methode ab dem Schuljahr 2019/20 an Schulen des Bundeslandes verboten wird. Dieser Ansatz, vielen auch bekannt unter den umgangssprachlichen Titeln „Schreiben nach Gehör“ oder „Schreib, wie du sprichst“, ist die derzeit gängigste Konkurrenzmethode zum Fibel-Lernen, schnitt aber in der aktuellen Studie aus Bonn ziemlich miserabel ab.

          Verständlich, dass Lehramtsstudenten jetzt ziemlich verunsichert sind. „Wir hatten bislang leider nur eine Lehrveranstaltung, in der uns die gängigsten Methoden mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen vorgestellt wurden – allerdings nur theoretisch“, sagt Marius Boberschmidt. Er hofft, dass sich das in seinem Master-Studium ändern wird und die Dozenten dann auch Praxisübungen einbauen, damit seine Kommilitonen und er die unterschiedlichen Ansätze noch besser verinnerlichen und im Berufsleben gezielter anwenden können.

          „Ein erster Überblick ist ja sehr gut, aber es wäre schön, wenn ich noch an der Uni auch die Anwendung in der Praxis kennenlerne, nicht erst in der Schule.“ Der angehende Lehrer kann sich gut vorstellen, dass unterschiedliche Ansätze des Schriftspracherwerbs nicht nur viele Eltern, sondern auch etliche Kommilitonen überfordern. „Manche wünschen sich bestimmt eher eine klare Ansage, welche Methode am besten ist, und wollen dann vor allem diese anwenden. Man will ja für die Kinder nur das Beste, und gerade als Anfänger hat man Angst, etwas falsch zu machen.“

          Keine Korrektur von Fehlern

          Denn die Theorie ist einigermaßen kompliziert: In Deutschland streiten Pädagogen, Linguisten und Entwicklungspsychologen schon seit Jahren darüber, welches die beste Methode zum Lesen- und Schreibenlernen ist, zumal es, bedingt durch den Bildungsföderalismus, auch keinen bundeseinheitlichen Standard gibt. Jedes Bundesland lehrt also, wie es will. Gleichzeitig birgt jeder der derzeit gängigen Ansätze, die auch Boberschmidt im Studium nähergebracht wurden, sowohl Chancen als auch Risiken. Der Klassiker unter den Lehrmethoden, der nach der aktuellen Studie eine Renaissance erlebt, ist der Fibelansatz. Hier werden schrittweise einzelne Buchstaben eingeführt, zunächst einmal all jene, die dem tatsächlichen Höreindruck entsprechen wie etwa in „Opa“ oder „Oma“. Schwierigere, weil weniger oder nicht lautgetreue Wörter werden erst später vermittelt. Die korrekten Schreibweisen werden von Anfang an unterrichtet, falsche korrigiert.

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