Unberechtigte Kritik? : Prügelknabe Bachelor
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Pauschale Kritik sei falsch. „Die Hochschulen bilden die Studierenden hervorragend aus. Sie haben ihre Studienangebote so weiterentwickelt, dass Praxisbezug, internationale Mobilität und wissenschaftliche Qualifikation gewährleistet werden.“ Der Drang an die Hochschulen ist ohnehin ungebremst. Das Statistische Bundesamt zählte zum Wintersemester 2014/2015 an den bundesweit 423 Hochschulen rund 2,7 Millionen Studenten. Das ist, verglichen mit den Zahlen des Vorjahres, eine Steigerung um 81.500. Trotzdem sagt Hippler: „Von Überakademisierung kann nicht die Rede sein.“ Auch Birgitta Wolf, die Präsidentin der Goethe-Universität Frankfurt, findet Schlagworte „grundsätzlich gefährlich“. Aber ausgerechnet sie, erste Vertreterin einer der größten deutschen Hochschulen, warnt, dass handwerkliche Berufe oder Facharbeiter mitunter kleingeredet würden. „Es wäre gesellschaftlich kaum erstrebenswert, alle Berufsbereiche zu akademisieren“, sagt sie. „Dass individuelle Lebens- und Einkommensperspektiven nicht per se durch irgendein Studium besser sind, weiß doch eigentlich jeder schon aus dem persönlichen Bekanntenkreis.“
Ein hausgemachtes Problem
Immerhin dreht sich jenseits der Debatte um Schlagworte auch einiges um inhaltliche Details. Denn die harte Kritik an Bachelor-Studenten hat das Bachelor-Studium in den Fokus gerückt. Philipp Bahrt zum Beispiel, Referent im ASTA der FU Berlin und Vertreter der sogenannten Landes-Asten-Konferenz (LAK) Berlin, sagt, dass Geld und Ressourcen vor allem in prestigeträchtige und hochspezialisierte Master-Studiengänge flössen. „Bachelor-Studiengänge sind meistens inhaltlich sehr verflacht.“ Auch um das große Ganze stehe es nicht gut. „Die Idee des Bologna-Prozesses, bei der Studiengestaltung die Arbeitsmarktorientierung ins Zentrum zu rücken und dafür Persönlichkeitsbildung und Wahlfreiheit aufzugeben, ist grandios gescheitert.“
Verschärft werde das Problem durch den Fokus der Politik auf akademische Leuchtturmprojekte und unternehmerisch agierende Hochschulen. Und nicht einmal die Unternehmen als Adressaten dieser Politik könnten mit dem Ergebnis zufrieden sein. Bahrt, ein Volkswirt, sagt: „Oftmals fällt der Berufseinstieg nach einem Studium gerade deshalb nicht leicht, weil die Unternehmen junge, perfekt ausgebildete und gleichzeitig erfahrene Arbeitskräfte suchen - Arbeitskräfte, wie es sie in aller Regel gar nicht gibt.“
Ein hausgemachtes Problem, findet Heraldo Hettich von Landes-Asten-Treffen (LAT) Nordrhein-Westfalen. Dass für Unternehmen bei potentiellen Kandidaten nur noch Alter und Semesterzahl zählten, habe der DIHK mit jahrelanger Lobbyarbeit selbst verursacht. Und was Diplom- oder Magisterabsolventen früher mit größerer Lebenserfahrung wettmachen konnten, bleibe nun eben auf der Strecke, auch für Unternehmen. Denn: „Der Bachelor ist eben kein Diplom light.“ Kritiker wie der DIHK müssten sich bei Warnrufen zwischen Fachkräftemangel und Überakademisierung entscheiden. „Die Vorstellung des 21-jährigen Bachelor-Absolvierenden mit Bestnoten, Berufserfahrung, Sozialkompetenzen, Auslandspraktika und gleich auch noch der richtigen Praxisorientierung für den Bedarf der Unternehmen ist eine Illusion.“