Integration von Flüchtlingen : IT-Kurse gegen die Eintönigkeit
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Treffpunkt: Flüchtlinge bereiten an der Berliner Redi School zusammen mit ihrer Dozentin eine Präsentation vor. Bild: Matthias Lüdecke
Unternehmen suchen Programmierer. Doch qualifizierte Flüchtlinge tun sich schwer mit dem Einstieg. Ein Berliner Start-up will das ändern. Und sogar der Facebook-Chef mischt mit.
Viele Menschen in Deutschland sagen, dass wir Flüchtlinge Essen und eine Unterkunft brauchen“, sagt Magui Al Ahmar. „Das stimmt. Aber wir brauchen auch Startmöglichkeiten.“ Die 29 Jahre alte Frau mit den langen, dunklen Locken stammt aus Syrien. Bevor sie 2014 nach Europa kam, hat sie in Damaskus ein Hochschulstudium in Telekommunikationstechnik abgeschlossen. Für Technik und IT hat sie sich schon lange begeistert. Jetzt ist Magui Al Ahmar die einzige Frau in einer Gruppe syrischer Flüchtlinge, die einen dreimonatigen IT-Kurs besucht. Er soll sie fit machen für den Arbeitsmarkt in Deutschland, einem Land, das Magui Al Ahmar in den höchsten Tönen lobt: „Hier werde ich als Frau respektiert, hier werden meine Menschenrechte geschützt.“
Gemeinsam mit anderen Teilnehmern und der Werkstudentin Alma Gabriel bereitet sie eine Präsentation vor, mit der sie diesen Kurs beenden werden. Konzentriert schauen sie auf einen Laptop, auf dem Alma Gabriel Statistik, Bilder und Texte durchklickt, und diskutieren auf Englisch ihre Ergebnisse. Die Spannung steigt. In einer halben Stunde werden leitende Mitarbeiter des Softwareunternehmens SAP kommen und sich anhören, was die Teilnehmer geleistet und gelernt haben. Zu den Themen des Kurses gehört auch Design Thinking - eine innovative Methode zum Lösen von Problemen, die sich stark an den Bedürfnissen von Kunden orientiert. „Damit das nicht zu abstrakt ist, haben wir es auf ein konkretes Thema heruntergebrochen“, sagt Tino Albrecht, der den Kurs mit organisiert hat: „Wie kann der Mittelstand die sozialen Netzwerke nutzen?“ Was kann etwa ein Berliner Restaurantbesitzer tun, um die Wünsche potentieller Kunden zu erfahren? Und wie kann er dazu auf die IT zurückgreifen?
Tino Albrecht ist Mitarbeiter von SAP. Sein Unternehmen stellt Räume zur Verfügung, damit der IT-Kurs stattfinden kann. Der 34 Jahre alte IT-Spezialist konnte in seiner Arbeitszeit den Kurs mit vorbereiten, ihn begleiten und den Geflüchteten sein Wissen zur Verfügung stellen. Albrecht ist mit den Ergebnissen rundum zufrieden. „Wir waren zunächst überrascht von den guten Vorkenntnissen der Teilnehmer“, sagt er. Bei der Anmeldung hätten sie als Voraussetzung nur Englisch und Kenntnisse über Power Point gefordert. Die meisten Teilnehmer brachten jedoch viel mehr mit, hatten in Syrien schon einschlägige Fächer studiert. Nachdem der Kurs im Oktober begonnen hatte, äußerten sie immer freimütiger kreative Gedanken. Zum Beispiel ob sie für die Präsentation nicht ein virtuelles Fahrzeug entwickeln könnten - mit den Teilnehmern als Hologrammen an Bord. Diese Idee hätten sie zwar, wie auch manche andere, doch nicht umgesetzt - andere aber schon, erzählt Albrecht. Auf solche spannenden Vorschläge würde jemand, der seit Jahren in eingefahrenen Bahnen denkt, kaum kommen, lobt er.
Die meisten stammen aus Syrien
Dass viele Geflüchtete über umfangreiches Wissen verfügen, ist Anne Kjaer Riechert schon zu Beginn der sogenannten Flüchtlingskrise aufgefallen. Sie stammt aus Dänemark, wo sie ein Fach namens „Chaos-Piloten“ studiert hat, eine Mischung aus Betriebswirtschaft und kreativem Ideenmanagement. Anschließend setzte sie in Japan noch eine Ausbildung in internationalem Konfliktmanagement obendrauf. Anlässlich des muslimischen Zuckerfests im Jahr 2015 besuchte Riechert, die in Berlin lebt, eine Feier in einer dortigen Flüchtlingsunterkunft. Dort begegnete sie Mohammed aus dem Irak, einem Mann, der früher in seiner Heimat programmiert hatte und es gern wieder tun wollte. Nur fehlte ihm leider ein Laptop. Riechert fand die Situation absurd. „In Deutschland sind rund 43.000 Stellen für IT-Fachkräfte nicht besetzt“, zitiert sie die Statistik. „Wir brauchen dringend Leute, die sich für das Gebiet begeistern.“ Warum also nicht Flüchtlinge aktivieren, die zu Tausenden zumeist ohne Beschäftigung in den Unterkünften herumsitzen?