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Gegen Durststrecken im Studium : Motivationstrainer auf dem Campus

  • -Aktualisiert am

Bild: Peter von Tresckow

Immer mehr Studenten haben Zweifel am Sinn ihres Studiums. Erste Universitäten wie die in Frankfurt engagieren Fachleute für ein Motivationstraining. Die Nachfrage ist riesig.

          5 Min.

          Mehr als 500 Studenten hatten sich angemeldet. Der Großteil kam tatsächlich, füllte den fensterlosen Hörsaal samt Gängen und hielt sechs Stunden durch. Offenbar hatte die Hochschulabteilung „Frankfurter Akademisches Schlüsselkompetenz Training“ einen guten Riecher für Thema und Referentin. Denn der Trierer Professorin für Bildungswissenschaften Michaela Brohm gelang es, die Studenten aus der Reserve zu locken und immer wieder in interaktive Übungen einzubinden. Als Lockmittel wirkte ihr Versprechen gleich zu Beginn um 14 Uhr: „Heute erfahren Sie, was aus der Leistungsmotivationsforschung wirklich wirkt im Studium.“

          „Was wünschen Sie sich am meisten im Leben?“, fragt sie, und aus dem Plenum kommen Zurufe wie „Liebe, Glück, Geld, Erfolg“. „Was haben Sie in Schule und Uni bisher gelernt, und wo ist die Schnittmenge?“, fragt sie dann, und als es ruhig wird im Hörsaal, ist der Spannungsbogen klar, um den es an dem Tag geht: Wie bringt man das manchmal quälende Tagespensum in sinnvolle Verbindung mit dem Lebensziel?

          Viele der Anwesenden sind begierig auf mentale Unterstützung. Sie sagen: „Weil die Noten in meinem ersten Semester schlechter waren als erwartet“, weil es „nach 7 Semestern Wiwi Durststrecken“ oder „kurz vor Abgabe der Bachelorarbeit Zweifel“ auf dem Weg in eine noch abstrakte Berufstätigkeit zu überwinden gilt, berichten sie bereitwillig in der Kaffeepause. „Je verschulter die Studiengänge werden, desto weniger Freiräume haben die Studierenden. Damit entfällt die Autonomie als wichtiges Kriterium für Motivation. Keiner mag das Müssen“, äußert sich die ehemalige Lehrerin Brohm im Vorfeld zur Sinnhaftigkeit eines Motivationsseminars für Studierende.

          Schon in der Schule dränge die komprimierte Vermittlung von Fachwissen die Persönlichkeitsbildung immer mehr zurück. „Im Ergebnis sind Studierende heute jünger und stärker belastet. Die Jagd nach Credit Points setzt viele extrinsische Anreize.“ Der Belohnungseffekt wirke aber nur kurzfristig und zerstöre die intrinsische Motivation wie Interesse an einem Wissensgebiet, am Experimentieren oder Spaß am Lernen in der Gruppe. Zudem mangelt es vielen deutschen Unis an persönlichem Kontakt zwischen Studierenden und Lehrenden, an Rückmeldung.

          „Anfangen, dranbleiben, abschließen“

          „Motivation ist kein Ziel, sondern eine offene, energiegeladene Bewusstseinslage, eine Lebensart“, erklärt Brohm im Workshop ihrem jungen Frankfurter Publikum. „Wer eng ist im Bewusstsein, ist nicht offen für seine Chancen, für Risiken. Dabei liegt alles, was richtig spannend ist, außerhalb Ihrer Komfortzone.“ Ihren Zuhörern vermittelt sie an diesem Dezembertag Techniken, mit denen man sich selbst so steuert, dass die eigene Dynamik wächst. „Schreiben Sie auf, was Ihnen in letzter Zeit gut gelungen ist“, „Machen Sie sich klar, was sie motiviert“, lauten die Übungen. Ein Student berichtet stolz vor dem Plenum, er habe mit dem Rauchen aufgehört. „Erinnern Sie sich immer wieder an die guten Gefühle, die mit diesem selbstgesteckten Ziel verbunden waren“, sagt die Professorin.

          Ganz zentral ist für Brohm der Glaube an die Selbstwirksamkeit. „Schreiben Sie sich Erfolge selbst zu, aber auch Misserfolge.“ Wer sich nach einer schlechten Note eingestehe, zu wenig oder zu spät gelernt zu haben, sei leistungsmotivational besser bedient als der, der alles auf die äußeren Umstände schiebt. „Nur wer glaubt, dass er das Kontrollsystem für seine Leistung in sich trägt, entwickelt Energie.“ Das Rezept für das Erreichen hochgesteckter Ziele sei von daher relativ einfach: „Anfangen, dranbleiben, abschließen.“

          In der letzten Phase halten die Studenten schriftlich fest, wie ihr idealer Tag in zehn Jahren aussieht, was sie im Leben unbedingt tun wollen und was sie bereuen würden, nicht geschafft zu haben. Die großen Ziele zerlegen sie in kleinere Etappen, so dass am Schluss Tagesziele übrig blieben, die die Kriterien erreichbar, messbar, terminiert erfüllen müssen.

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