Forschung über Essverhalten : Überzeugte Fleischesser sind eher konservativ
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Sind überzeugte Fleischesser ganz besondere Charaktere? Bild: Frank Röth
Was an Unis so alles erforscht wird! Wie es Menschen rechtfertigen, dass sie Fleisch essen, hat die Mainzer Psychologin Pfeiler untersucht. Und Zusammnhänge mit gesellschaftlichen Überzeugungen gefunden.
Sie erforschen das Phänomen des Karnismus. Das Wort klingt bedrohlich – so wie Sadismus oder Faschismus.
Der Begriff Karnismus wurde von der Psychologin Melanie Joy geprägt. Er setzt sich aus dem Wort „carn“ für Fleisch und dem Suffix „ismus“ zusammen, der ein Überzeugungssystem kennzeichnet. Die meisten „Ismen“ sind in der Tat negativ besetzt, aber auch Vegetarismus und Veganismus sind Überzeugungssysteme.
Karnismus bedeutet also „Fleischessen aus Überzeugung“. Ein Karnist ist demnach jemand, der das Essen von Fleisch ideologisch rechtfertigt.
In unserer Forschung achten wir darauf, ein Überzeugungssystem nicht mit dem Verhalten gleichzusetzen. Es gibt Leute, die Fleisch konsumieren, ohne karnistische Überzeugungen ausdrücklich zu vertreten, und es gibt Personen, die kein Fleisch essen und dennoch karnistischen Überzeugungen zustimmen.
Ist es vielleicht so, dass sich die Mehrheit der Fleischesser keine großen Gedanken über ihr Verhalten macht?
Die Frage können wir anhand unserer Studie nicht beantworten. Wir haben den Teilnehmenden verschiedene Aussagen zu dem Thema vorgelegt und zudem gefragt, ob sie gerne Fleisch essen. Die Ergebnisse zeigen, dass das Ausmaß des Fleischkonsums nicht nur davon abhängt, ob jemandem Fleisch gut schmeckt, sondern auch davon, wie sehr karnistischen Überzeugungen zugestimmt wird.
Was sind die karnistischen Überzeugungen, nach denen Sie gefragt haben?
Wir haben uns zum einen auf die Karnismus-Theorie von Melanie Joy gestützt. Sie hat Ansichten beschrieben, nach denen Fleischessen als normal, natürlich und notwendig angesehen wird. Diese haben wir in unserer Arbeit karnistische Rechtfertigung genannt. Eine zweite Form karnistischer Überzeugung haben wir aus empirischen Untersuchungen der Psychologie abgeleitet, die einen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß des Fleischkonsums und der Zustimmung zu Hierarchien zeigen. Diese haben wir karnistische Domination genannt. Hierzu gehört die Einstellung, dass Tiere nicht intelligent genug sind, um zu leiden, und dass es erlaubt ist, Tiere zu töten.
Sie haben zusammen mit amerikanischen Kollegen rund 1000 Menschen nach ihrer Meinung zu Fleischkonsum befragt. Welche Argumente für das Fleischessen wurden am häufigsten genannt?
Insgesamt gesehen haben die meisten Menschen eine mittlere Zustimmung zu den karnistischen Überzeugungen angegeben, wenige Personen haben sehr schwach oder sehr stark zugestimmt. Aussagen der karnistischen Rechtfertigung wurden stärker befürwortet als Aussagen der karnistischen Domination. Hier stimmten vor allem Menschen zu, die selbst schon Tiere getötet haben, um sie zu essen – durch Jagen, Schlachten oder Fischen. Das waren knapp zehn Prozent der Teilnehmenden.
Welche sonstigen Überzeugungen zeichnen Karnisten aus?
Zum einen sind sie eher konservativ. Das ist auch nachvollziehbar, denn Fleischessen ist ja ein traditionelles Verhalten. Außerdem gibt es einen Zusammenhang mit der sozialen Dominanz-Orientierung. Dieses Konstrukt beschreibt, inwieweit man Hierarchien innerhalb der Gesellschaft zustimmt und Ungleichheiten zwischen Gruppen befürwortet. Und schließlich gehen karnistische Überzeugungen auch mit der Unterstützung von sozialen Konventionen und etablierten Autoritäten einher. Allerdings waren die beiden zuletzt genannten Zusammenhänge bei der karnistischen Domination stärker ausgeprägt.
Das kann man schön zuspitzen: Karnisten sind autoritäre Charaktere, dominant und politisch rechts eingestellt.
Das würde ich niemals so sagen. Wir wissen aufgrund unserer Studie nichts über die Kausalität dieser Zusammenhänge. Das müsste erst noch durch weitere Forschung geklärt werden.
Haben Sie auch nach der Art des bevorzugten Fleischs gefragt? Ein karnistischer Dominator liebt doch vermutlich blutige Steaks, oder?
Das haben wir nicht abgefragt, aber es wäre für zukünftige Studien interessant. Bei Leuten, die Fleisch essen und gleichzeitig Empathie für Tiere empfinden, kann es zu kognitiver Dissonanz kommen. Deswegen brauchen sie vermutlich eine Rechtfertigung für ihr Verhalten...
... und essen Fleisch, das möglichst wenig nach Fleisch aussieht, also Chicken McNuggets oder Fischstäbchen.
Das könnte eine Hypothese sein.
Essen Sie eigentlich selbst Fleisch?
Ich bin wie die meisten Menschen karnistisch sozialisiert und habe von klein auf Fleisch gegessen. Später habe ich beschlossen, kein Fleisch und andere Tierprodukte mehr zu konsumieren.
Und wie rechtfertigen Sie Ihr Essverhalten?
Mit ethischen Überlegungen. Nachdem ich mich aktiv mit der „Nutztier“-Industrie auseinandergesetzt hatte, habe ich festgestellt, dass eine vegane Lebensweise eher zu meinen persönlichen Überzeugungen und meinem Mitgefühl für Tiere passt.