Flüchtlingskrise : Nachhilfe für Lehrer
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An den Unis tut sich etwas
Praxisorientierte Ausbildungsprogramme für Lehramtsstudenten wie beim Kölner Prompt-Projekt, die im Umgang mit Flüchtlingskindern schulen, sind noch selten. Da viele Bundesländer den Bedarf erkennen und zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen, tut sich aber langsam etwas an den Universitäten. In Sachsen etwa konnten Studenten bislang nur an einer von drei Hochschulen, die Lehrer ausbilden, das Fach Deutsch als Zweitsprache (DaZ) belegen - zukünftig soll das überall möglich sein. Und an der Universität Göttingen startet gerade ein Pilotprojekt, bei dem sich Lehramtsstudenten gezielt für den Unterricht mit Flüchtlingskindern vorbereiten können: 100 angehende Lehrer begleiten in diesem Wintersemester nach einer Vorbereitungsphase Flüchtlinge an der Universität als Sprachtrainer, bieten Deutschunterricht in Einrichtungen für Flüchtlinge an und helfen mit beim Unterricht in Sprachlernklassen an Schulen. Ähnlich wie bei dem Kölner Projekt können sich Studenten auch in Göttingen die Teilnahme am Projekt als Studienleistung anrechnen lassen und Workshops zu didaktischen, methodischen und pädagogischen Themen belegen. Psychologische Fachkräfte schulen sie im Umgang mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen.
„Es ist uns wichtig, die Studenten nicht allein zu lassen mit den Herausforderungen, die auf sie zukommen“, sagt Susanne Schneider, Leiterin der Zentralen Einrichtung für Lehrerbildung an der Universität Göttingen. „Diese Kinder zu unterrichten ist sehr herausfordernd. Viele sind traumatisiert, haben kaum Sprachkenntnisse. Die Studierenden müssen lernen, damit umzugehen.“ Insgesamt 260 Studenten werden in den kommenden 16 Monaten an dem Programm in Göttingen teilnehmen.
Schon weiter sind da Universitäten in Regionen, in denen Lehrer seit langem mit einem hohen Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund konfrontiert sind. Die Universität Duisburg-Essen hat bereits vor 40 Jahren Förderklassen für solche Kinder auf dem Campus eingerichtet. Lehramtsstudenten bieten hier Förderunterricht für 1200 Schüler aus der Region an, darunter derzeit etwa 250 Flüchtlinge. Hinzu kommen zahlreiche Seminare sowie Erfahrungen in Auffang- und Förderklassen. „Die Lehrerausbildung muss sich verändern, denn die gesellschaftlichen Realitäten haben sich nun mal verändert“, sagt Erkan Gürsoy, Mitarbeiter im Projekt „ProDaZ“ in Essen.
Engagement und guter Wille reichen nicht
„Mehrsprachigkeit in den Klassen muss geschätzt, Vielfalt respektiert werden. Lehrer müssen lernen, wie sie für alle Schüler eine motivierende Lernatmosphäre schaffen“, sagt Gürsoy. „Bislang wird das in der Lehrerausbildung noch viel zu sehr als Randthema gesehen, als temporäre Fördermaßnahme für Schüler mit Sprachdefiziten, als Thema nur für den Deutschunterricht.“ Letztlich müssten aber alle Lehrer in allen Fächern für das Thema sensibilisiert werden. „Für sie alle wird der Umgang mit Flüchtlingskindern Alltagsrealität sein.“ Die aktuelle Situation an den Schulen sei für alle Beteiligten unbefriedigend. Viele Lehrkräfte seien zwar sehr engagiert, würden Flüchtlingskinder fördern und unterstützen, so gut sie können. „Aber sie sind eben in ihrer Ausbildung nicht darauf vorbereitet worden, und sie merken in der Praxis, dass Engagement allein nicht ausreicht.“
Zu diesem Schluss ist auch die Kölner Lehramtsstudentin Marwah Reza-Jakubi gekommen. „Als ich mich für das Förderprogramm angemeldet habe, hatte ich mir das Unterrichten von Flüchtlingskindern sehr viel einfacher vorgestellt. Ich dachte, das ist im Grunde wie Deutsch-Nachhilfe“, gibt sie zu. Schließlich geben zurzeit ja auch viele ehrenamtliche Helfer Deutschunterricht für Flüchtlinge, oft ohne pädagogische Ausbildung. „Aber durch das Praxisprojekt habe ich gemerkt: Engagement und guter Wille allein reichen nicht aus. Man braucht spezielle Lehrmethoden, fachliches und psychologisches Zusatzwissen“, sagt Reza-Jakubi. Deshalb sei sie auch froh, einen Platz in dem Programm bekommen zu haben.