Nachwuchssorgen : Betriebe finden keine Lehrlinge mehr
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Die Letzten ihrer Art? Zwei Metallbauer-Lehrlinge üben das Schweißen. Bild: dapd
Noch nie seit der Wiedervereinigung wurden so wenige Ausbildungsstellen besetzt wie im vergangenen Jahr. Viele junge Leute wollen lieber studieren. Die Gewerkschaften geben der Wirtschaft eine Mitschuld.
In technischen Berufen, aber auch im Gast- und Sicherheitsgewerbe wird schon bald in vielen Regionen das Fachpersonal knapp, wie aktuelle Studien zeigen. Zugleich geht die Zahl der jungen Menschen, die sich für eine Berufsausbildung entscheiden, stark zurück: Im vergangenen Jahr wurden nur noch 522.000 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen, 100.000 weniger als noch 2007 und überdies so wenige wie noch nie seit der Wiedervereinigung. In diesem Jahr könnte die Zahl der Neuverträge gar auf unter 510.000 sinken.
Dies zeigt der neue Berufsbildungsbericht, den das Bundeskabinett nun beschlossen hat. Dass immer weniger junge Leute eine Lehre beginnen, liegt laut Bundesbildungsministerium zum einen an sinkenden Schulabgängerzahlen. Während 2007 noch insgesamt 965.000 junge Leute ihre Schulzeit beendeten, waren es im vergangenen Jahr nur noch 850.000. In fünf Jahren werden es laut amtlicher Hochrechnung nur noch 760.000 sein.
Zum anderen will ein wachsender Teil der jungen Leute nach der Schule lieber studieren. Während die Zahl der neuen Lehrlinge 2007 noch um die Hälfte höher war als die der neuen Studenten, gab es 2013 erstmals mehr Studien- als Ausbildungsanfänger. „Wir müssen die gesellschaftliche Wertschätzung der dualen Ausbildung wieder erhöhen“, sagte Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) dazu. Damit meint sie vor allem die Unternehmen: Diese müssten mehr tun, um die Ausbildung attraktiver zu machen, forderte sie.
Vernachlässigt die Wirtschaft die Ausbildung?
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und das Bundesinstitut für Berufsbildung haben in einer Studie gezeigt, in welchen Berufen im Jahr 2030 mindestens in großen Regionen mit Arbeitskräftemangel zu rechnen sei. Neben Technikberufen stehen dabei etliche private Dienstleistungsberufe weit oben, etwa Verkäufer und Lagerspezialisten. Auch für sie wird erwartet, dass in 15 Jahren das Arbeitskräfteangebot nicht mehr den Bedarf decken kann. Abermals rückläufig war im 2014 aber auch die Zahl der Betriebe, die Lehrstellen anboten, wie der Regierungsbericht zeigt.
Von insgesamt rund 850.000 Betrieben, die ausbilden dürfen, boten 438.000 tatsächlich Lehrstellen an; das sind 9000 weniger als im Jahr zuvor. Umstritten ist, woran das liegt: Die Gewerkschaften werfen der Wirtschaft vor, die Ausbildung zu vernachlässigen. Arbeitgeber entgegnen, es seien eben mancherorts schlicht keine Bewerber mehr in Sicht. Im nördlichen Vorpommern blieb 2014 laut Bildungsbericht mehr als jeder fünfte angebotene Ausbildungsplatz unbesetzt.
Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will indes dafür sorgen, dass Schülern mit holpriger Schulkarriere künftig rascher und besser der Einstieg in Ausbildung gelingt. Bisher warten noch 250.000 Jugendliche in Förderprogrammen des sogenannten Übergangssystems auf Ausbildungsplätze. Drei neue Programme mit zusammen mehr als 100.000 Plätzen sollen nun dafür sorgen, dass häufiger der Direkteinstieg ohne Warteschleife klappt; Ausbildungsbegleiter der Arbeitsagentur sollen Wackelkandidaten zur Seite stehen, damit nicht gleich das erste Frusterlebnis zum Abbruch der Ausbildung führt.