Wirtschafts-Senioren : Alte Berater für junge Unternehmen
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Senior berät Junior: Das gibt’s auch innerhalb von Unternehmen - hier eine Szene bei Daimler Bild: dpa
Nur den Garten umzugraben ist ihnen zu langweilig: Wirtschafts-Senioren sind Rentner, die für wenig Geld Existenzgründer und Unternehmen beraten. Die meisten sind studiert, klug, erfahren und haben viel Zeit. Leider machmal ein bisschen zu viel.
Die Visite der ungewöhnlichen Berater dauert manchmal etwas länger. François Höpflinger, Soziologieprofessor an der Uni Zürich, erzählt von einer Bauernfamilie in der Schweiz. Sie wünschte sich Unterstützung bei der Abrechnung für ihren Landwirtschaftsbetrieb. So kam ein Mann ins Haus, der seine Dienste über ein Seniorennetzwerk angeboten hatte. Kompetent war er, das stellte sich rasch heraus. „Trotzdem wollte die Familie nicht, dass er jeden Tag vorbeischaute und drei, vier Stunden mit ihr diskutierte“, sagt Höpflinger. Im Nachhinein zeigte sich, dass sich beide Seiten von der Zusammenarbeit etwas anderes erhofft hatten. Den Landwirten ging es um die rasche Erledigung der Abrechnung. Der Senior wünschte sich soziale Kontakte, Austausch.
Netzwerke von älteren Führungskräften gibt es mittlerweile in mehreren Industrieländern. In der Schweiz heißen sie Innovage und Adlatus, in Deutschland nennen sie sich Wirtschafts-Senioren. Unter dem Motto „Alt hilft Jung“ beraten die Deutschen kostenlos oder gegen eine geringe Aufwandsentschädigung Existenzgründer und Unternehmen, deren Umsatz zu niedrig ist oder die andere Probleme haben. Eine Steuer- oder Rechtsberatung ist das allerdings nicht. Und auch keine klassische Unternehmensberatung. Deshalb sieht der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater in den Wirtschafts-Senioren keine Konkurrenz. BDU-Sprecher Klaus Reiners sagt: „Die Wirtschafts-Senioren bringen ihre langjährigen Berufserfahrungen meist in sehr kleine, überschaubare Projekte ein. Unsere Mitglieder werden hingegen auch bei langfristigen, größeren Projekten tätig.“
Ende der achtziger Jahre entstand das erste Netzwerk von älteren Führungskräften in Bonn. Mittlerweile sind die Senioren vor allem in den industriellen Ballungszentren tätig, in Frankfurt am Main, Nordrhein-Westfalen, Stuttgart, München, Hamburg. Es gibt mehr als 20 Vereinigungen, die lose Kontakt zueinander pflegen. Einmal im Jahr treffen sie sich. „Da sind in der Regel etwa zwölf Vereinigungen vertreten“, sagt Jürgen Kohns, der sich bei „Alt hilft Jung Nordrhein-Westfalen“ engagiert. Diese Wirtschafts-Senioren sind besonders stark. 65 Mitglieder zwischen 61 und 80 Jahren bringen es dieses Jahr auf 1500 Beratungen. Die Ratsuchenden sind hier - wie in anderen Bundesländern - kleine und mittelständische Unternehmer, von Inhabern eines IT-Services oder einer Fußpflege-Praxis bis zur Gastronomie.
Den Garten umzugraben reicht vielen Senioren nicht mehr
Rasch und unkompliziert bekommen sie Unterstützung. So ließ sich etwa Robert Drobina bei seinem Businessplan von den Wirtschafts-Senioren aus Osnabrück helfen. Der 37 Jahre alte Mann aus Polen hatte schon neben seinem Acht-Stunden-Job neue und gebrauchte Autoteile übers Internet verkauft, nun wollte er als Vollzeit-Selbständiger durchstarten. Er vereinbarte mehrere Termine mit Klaus-Dieter Eberding, einem pensionierten Vertriebsspezialisten. Eberding hatte sich früher beruflich mit Transportbeton beschäftigt. Dass er aus einer anderen Branche kommt, störte Drobina nicht: „Es ging ja darum, wo ich meine Ware verkaufe, wie ich Umsatz mache.“ Er ist zufrieden mit der Beratung und denkt darüber nach, ein weiteres Unternehmen zu gründen.