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Ist weniger wirklich mehr? : Wie die Vier-Tage-Woche die Produktivität steigern soll

  • -Aktualisiert am

Hat die Vier-Tage-Woche Zukunft? Bild: Lucas Bäuml

Die Vier-Tage-Woche kommt immer mehr in Mode. Wie die Arbeitszeitverkürzung auf die Produktivität wirkt, ist aber umstritten. Doch die ersten Unternehmen machen bereits gute Erfahrungen.

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          Wer an einem Freitag bei Bike Citizens anruft, erreicht nur den Anrufbeantworter. Denn freitags haben alle 35 Beschäftigten des Grazer Entwicklers und Anbieters einer Navigations-App für Fahrräder frei. Seit 2014 arbeiten alle Angestellten des Unternehmens nur noch 36 der in Österreich meist üblichen 38,5 Wochenarbeitsstunden – und das nur von Montag bis Donnerstag.

          „Am Anfang war es für mich schon eine Umstellung, neun Stunden am Tag an nur vier Tagen zu arbeiten“, sagt Tanja Koller, seit Ende 2020 an Bord. Doch schnell hat sich die 25 Jahre alte Personalmanagerin des Unternehmens an die neuen Arbeitszeiten gewöhnt und schätzt sie nun sehr. „Bei meinen vorherigen Arbeitgebern habe ich im Schichtdienst oft zwischen 6 und 24 Uhr auch am Wochenende gearbeitet. Das hat das Abschalten oft schwer gemacht.“

          Heute genießen ihre Kollegen und sie es, den Wocheneinkauf schon am Freitag in angenehm leeren Supermärkten zu erledigen, das Sportprogramm in verwaisten Fitnessstudios zu absolvieren oder Ausflüge fernab des Wochenendtourismus zu genießen. Oder den Freitag einem Ehrenamt zu widmen, wie etwa ein Kollege, der monatlich beim Rettungsdienst eine Nachtschicht fährt.

          Unternehmen von Bielefeld bis Belgien sind dabei

          Das Grazer Unternehmen ist längst nicht mehr das einzige auf weiter Flur, das eine Verkürzung der Arbeitszeit eingeführt hat. In aller Munde ist schon seit Längerem die 2017 gegründete Digitalagentur und Unternehmensberatung Rheingans aus Bielefeld. Zügig führte Gründer Lasse Rheingans als erster Unternehmer in Deutschland den Fünf-Stunden-Tag ein – bei vollem Gehalt und Urlaubsanspruch. Für ihn eine Erfolgsgeschichte, über die er 2019 ein Buch schrieb, um andere zu inspirieren.

          Auch Jan Eppers, Gründer der PR- und Social-Media-Agentur „Frische Fische“ mit Standorten in Dresden und Berlin, trat 2015 selbst mit der Idee an seine 15 Beschäftigten heran, ihre Arbeitszeit auf vier Tage zu verteilen – allerdings optional. Zudem ließ er alle frei wählen, welches ihr freier Tag sein sollte. Wer sich dagegen entschied, hatte meist Familie und konnte die längeren Arbeitstage, die sich durch die Verdichtung ergaben, nicht mit den Kinderbetreuungszeiten vereinbaren, wie er auf dem Agentur-Blog schreibt.

          Die Angst, in einer Branche, in der ständige Erreichbarkeit fast schon Gesetz ist, einmal nicht ansprechbar zu sein, erwies sich als unbegründet: Die Kunden wurden informiert und zeigten entweder Verständnis – oder sogar Interesse. „Zwei Kunden haben selbst evaluiert, ob und wie sie ihre Arbeitszeit in Richtung einer Vier-Tage-Woche anpassen können“, schreibt Eppers.

          Das Nadelöhr bleibt der Wille des Unternehmens

          Doch nicht nur Unternehmen, die qua Geschäftsmodell als innovativ betrachtet werden, wie eben Digital- oder Marketingagenturen, haben die Arbeitszeitverkürzung oder -verdichtung für sich entdeckt. Mit der Haustechnikfirma Hempfling aus dem fränkischen Prebitz hat kürzlich ein Handwerksbetrieb auf 36 Stunden, verteilt auf vier Tage, umgestellt – bei gleichem Lohn und einer geringeren CO2-Bilanz, da freitags die Firmenwagen stehen bleiben, wie in der Lokalpresse berichtet wird.

          Und auch die Beschäftigten eines ganzen Landes sollen künftig auf Wunsch ihre Arbeit an nur vier Tagen pro Woche erledigen können: Nach zähen Verhandlungen hat sich die belgische Regierung im Februar dieses Jahres auf eine Vier-Tage-Woche geeinigt – ohne Reduzierung der Wochenarbeitszeit. Stattdessen soll jeder die üblichen 38 Stunden pro Woche auf nur vier Tage verteilen können, das Gehalt bleibt dann gleich.

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