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Ist weniger wirklich mehr? : Wie die Vier-Tage-Woche die Produktivität steigern soll

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Die Belgier gehen mit ihrem Gesetzesentwurf sogar noch weiter und bieten die Möglichkeit, in einer Woche bis zu 45 Stunden und in der Folgewoche lediglich 31 Stunden zu arbeiten, was vor allem getrennt lebenden Eltern zugutekommen soll, die sich die Betreuungszeit der Kinder wochenweise aufteilen. Das Nadelöhr bleibt nach wie vor der Wille der Unternehmen. Denn der Arbeitgeber kann den Antrag auf die Vier-Tage-Woche ablehnen, etwa mit Verweis auf eine zu geringe Zahl an Mitarbeitern, auf die alle Aufgaben gleichmäßig verteilt werden könnten.

Welche Meetings sind eigentlich wirklich notwendig?

Einen Tag länger Wochenende zu haben, das bedeutet für Tanja Koller und Kollegen bei Bike Citizens vor allem mehr Erholung – und das steigert Motivation und Produktivität, da sind sich alle sicher. 2011 gegründet, wurde 2014 bei dem IT-Unternehmen die Reduzierung der Arbeitszeit samt entsprechender Gehaltskürzung zunächst für sechs Monate ausprobiert. „Nur etwa zwei Drittel der damals 15-köpfigen Belegschaft waren dafür“, erinnert sich Koller.

Dabei ging es nicht ums Geld: Die Bedenkenträger hatten vielmehr die Sorge, ihr Arbeitspensum in der kürzeren Zeit nicht mehr zu schaffen. Doch nach der Probephase wurde die Vier-Tage-Woche einstimmig beschlossen. Denn alle Aufgaben konnten wie zuvor auch bewältigt werden, ohne das Stresslevel zu erhöhen – im Gegenteil. Denn mit der Arbeitszeitreduzierung ging auch eine Umstrukturierung der Arbeitsabläufe einher. Am Vormittag arbeiten alle konzentriert an ihren Aufgaben, ungestört von Meetings, die erst am Nachmittag stattfinden. Zudem verlange die engere Taktung eine effektivere Planung, sagt Koller: „Wir fragen uns viel häufiger, welche Arbeitsschritte, welches Meeting wirklich notwendig sind.“

Zudem gewährt eine Kernarbeitszeit von neun bis lediglich 15 Uhr zusätzlich Flexibilität. „Wir leben allgemein ein hohes Maß an Eigenverantwortung und gegenseitigem Vertrauen. Gleitzeit, Homeoffice und mobiles Arbeiten waren bei uns schon lange vor der Corona-Pandemie möglich“, sagt Koller. Fürchten manche Start-ups gerade in der stressigen Gründungsphase ein gesteigertes Risiko, dass Mitarbeiter einen Burnout erleiden, häufig fehlen oder sich eine hohe Fluktuation ergibt: Bei dem Grazer Betrieb sei all das kein Problem gewesen. „Die längere Erholungsphase wirkt sich positiv auf die physische und psychische Gesundheit aus“, ist sich Koller sicher, die einen Abschluss in Gesundheitsmanagement hat.

Gute Laune und mindestens gleichbleibende Produktivität

Das große Interesse anderer Unternehmen an den Erfahrungen mit der Vier-Tage-Woche zeige, dass sich der Betrieb im wahrsten Sinne des Wortes einen Wettbewerbsvorteil erarbeitet hat auf dem hart umkämpften Markt an IT-Fachkräften. „Die verkürzte Arbeitswoche allein ist es nicht, was uns für potentielle neue Arbeitnehmer attraktiv macht, sie ist aber auf jeden Fall ein Plus“, beobachtet Koller.

Arbeitszeitmodelle, die auf Verdichtung der Arbeitszeit zugunsten von mehr Freizeit abzielen, sind nicht zuletzt deshalb beliebt, weil Befürworter ihnen attestieren, die Leistungsbereitschaft und somit auch die Produktivität zu steigern. Die Ergebnisse zweier Studien aus Island, die Mitte 2021 veröffentlicht wurden, legen diesen Schluss zumindest nahe.

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