FDP fordert Reform : Viele Selbständige sehen sich vom Sozialstaat verfolgt
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Neue „Kultur der Selbständigkeit“
Zentrale Prüfkriterien sind laut Sozialgesetzbuch bisher die „Weisungsfreiheit“ und „Nichteingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers“. Was das im Einzelfall bedeutet, wird in der Rechtsprechung aber ganz unterschiedlich interpretiert, wie das FDP-Papier aufzeigt. Ein vorhersehbares Regelwerk gebe es daher faktisch nicht. Außerdem schaffe ein Antrag auf Statusfeststellung schon deshalb wenig Klarheit, weil die Prüfverfahren lange dauerten und sich stets nur auf den einzelnen Auftrag bezögen. Oft erführen Antragsteller erst im Nachhinein, ob sie den Auftrag als Selbständige ausführen durften oder nicht. Vogel fordert, die Statusbescheide künftig unbefristet zu erteilen, um Selbständigen zumindest für vergleichbare Folgeaufträge Sicherheit zu geben.
Auch die FDP will aber verhindern, dass Selbständigkeit nur genutzt wird, um die Kosten einer Altersvorsorge zu umgehen wie sie Arbeitnehmer mit ihren Rentenbeiträgen haben. Für alle Selbständigen solle daher eine Pflicht zur Altersvorsorge gelten – mindestens mit einer Basisabsicherung oberhalb des Sozialhilfeniveaus und mit Wahlrecht zwischen gesetzlicher Rente und Privatvorsorge. Dazu gehöre aber auch, Selbständigen – wie Arbeitnehmern – Riester-Förderung zu gewähren. Zudem müssten Benachteiligungen von Selbständigen abgebaut werden, die freiwillig in die gesetzliche Kranken- und Arbeitslosenversicherung einzahlen.
Leitbild ist für Vogel dabei eine Arbeitswelt, in der Menschen keine Scheu haben, im Zuge ihres Arbeitslebens zwischen Angestellten- und Selbständigendasein hin- und herzuwechseln. Deutschland brauche eine neue „Kultur der Selbständigkeit“, um die Chancen des digitalen Wandels zu nutzen. Abschottung gegen neue Formen der Arbeitsorganisation, etwa das „agile Arbeiten“, sei der falsche Weg.
In ihrem Koalitionsvertrag haben auch Union und SPD vereinbart, das Statusfeststellungsverfahren zu vereinfachen. Angepackt haben sie es aber noch nicht. Mehr Interesse fanden indes zuletzt Ideen, den Zugriff der Sozialkassen in anderer Hinsicht zu erweitern: Internetplattformen wie Uber, Deliveroo und Lieferando könnten stärker in die Pflicht genommen werden, wenn sie Aufträge an formal selbständige Fahrer und Essenslieferanten vermitteln. Dies könnte darauf hinauslaufen, solche Plattformen als sozialversicherungspflichtige Arbeitgeber einzustufen und ihre Fahrer automatisch als Arbeitnehmer.
Inwieweit so etwas mit der Reformbaustelle „Statusfeststellungsverfahren“ kollidiert, ist vorerst nicht ganz klar. Würden als mögliche Positivkriterien für einen gesicherten Selbständigenstatus ein Stundenhonorar von 30 Euro und der Nachweis einer soliden Altersvorsorge festgelegt, dann sollte es jedoch keine allzu großen Überschneidungen geben: Die Zahl der Uber- oder Lieferando-Fahrer, die in derselben Einkommensklasse unterwegs sind wie die vom Sozialstaat genervten IT-Freelancer, ist wohl eher gering.