Gekonnte Rhetorik : Reden ist Gold, Zutexten Blech
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Manche Menschen schwingen gerne Reden, anderen bricht der pure Schweiß aus, wenn sie ein Mikrofon nur sehen. Trotzdem gibt es für beide Tipps. Bild: Getty Images
Sind Sie auch so ermüdet von all den Festtagsrednern, die in die Klischeekiste gegriffen und dampfplaudernd die Zeit des Zuhörers vernichtet haben? Dabei lässt sich das besser machen. Mit folgenden Tipps.
Bei einer guten Rede muss sich einer anstrengen, entweder der Zuhörer oder der Redner, bringt es der Sprachkritiker Wolf Schneider auf den Punkt. Wie schön, wenn es der Redner ist. Wer eine Leitungsfunktion anstrebt, muss rhetorisch versiert sein und souverän vor Gruppen sprechen können: Er muss vom Geburtstag der beliebten Sekretärin bis zur Präsentation vor dem aufmüpfigen Vorstand die treffenden Worte finden und den richtigen Ton treffen.
Eine ordentliche Struktur muss her
Ein gutes Thema muss her und eine ordentliche Struktur. Erbaulich, wenn Redner auch inhaltlich etwas zu sagen haben. Was will ich meinen Zuhörern eigentlich vermitteln? Das ist die Frage aller Fragen. Seltsamerweise scheinen manche Redner sich diese gar nicht erst zu stellen und plappern einfach drauflos. Dabei schätzen Zuhörer ein klares Thema und ein gutes Konzept. Also kurz skizzieren, was man in den kommenden Minuten vorhat. Es spricht nichts dagegen, sich an das nicht bestechend originelle, aber eindeutige Duo von kurzem Rückblick und verheißungsvollem Ausblick zu halten. Auf einen guten Aufbau setzen, denn nicht jedem Anfang liegt ein Zauber inne. Ein scharfer Kontrast, eine verstörende Beobachtung, eine prägnante These, all das sorgt für Aufmerksamkeit. Ein roter Faden sollte durch einen abwechslungsreichen Mittelteil weisen, der zwischen Fakten und szenischen Schilderungen wechseln kann und sich um gute Überleitungen bemüht. Und das Ganze dann nicht betulich ausplätschern lassen, sondern sich einen überzeugenden Schluss überlegen. Gute Entertainer heben sich ein Bonmot auf, Fernsehköche punkten nicht zufällig mit einem aufwendigen Dessert. Auch wenn die Zuhörer zwischendurch weggenickt sind: Ist der Schluss bemerkenswert, dann wird ihr Urteil über das eben Gehörte und zum Teil Verschlafene milder ausfallen.
Schachtelsätze und Passiv meiden
Was guter Rede- oder Schreibstil ist, darüber gibt es meterweise Ratgeberliteratur, endlose Diskussionen und wenig Konsens. Eins steht aber fest: Schachtelsätze mit vielen nachklappenden Nebensätzen sind schwer verständlich. Was einem Feingeist in einer Romanpassage zum Lesegenuss gereichen mag, führt bei Zuhörern oft zu Verdruss. Sätze müssen keineswegs nur wenige Worte enthalten. Aber sie sollten beim ersten Hören verständlich sein und nicht den gespreizten Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Stil pflegen. Wer zu verschwurbelten, syntaktischen Ausschweifungen neigt, der sollte sein Manuskript in einem stillen Winkel laut vorlesen. Er wird selbstkritisch merken, wo er Punkte setzen oder kürzen sollte. Und er wird erkennen, weshalb Formulierungen im Passiv, Konjunktiv oder eine penetrante Anhäufung von Füllwörtern wie „man“ den Redefluss hemmen. Ist kein Gegenleser in Sicht, hilft folgender Trick: Das Manuskript mit einem anderen Zeilenabstand in einer anderen Schriftart ausdrucken - ein anderes Layout schärft ebenfalls die Aufmerksamkeit. Fehler werden weniger rasch überlesen. Und guter Stil ist nun mal das Ergebnis des Rotstifts.