Stromerzeugung : Wellen und Gezeiten als Antrieb
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Rote Seeschlange im Trockendock: Bau eines Wellenkraftwerks in Schottland Bild: REUTERS
In den Weltmeeren schlummern riesige Mengen an Energie, die zur Stromerzeugung genutzt werden sollen. Die Ingenieure stehen dabei jedoch vor immensen technischen Herausforderungen.
Rund 70 Prozent der Erdoberfläche sind von Wasser bedeckt, und dieses Wasser ist zumeist in Bewegung. Ob Gezeitenströmungen, Wellen auf offener See oder Brandungswellen - der Gedanke liegt nahe, auch diese Energiequellen zur Stromgewinnung zu nutzen. Doch obwohl erste Versuche mit kleinen Anlagen schon seit vielen Jahren laufen, hinkt die Nutzung der Meeresenergie den anderen regenerativen Energieformen Wind, Sonne und Biomasse weit hinterher. „Wir stehen in der Meeresenergie da, wo wir mit der Windenergie zu Beginn der achtziger Jahre waren“, ordnet Jochen Weilepp den Entwicklungsstand ein. Er leitet die Abteilung Ocean Energies des Heidenheimer Anlagenbauers Voith Hydro - einer der wenigen namhaften deutschen Konzerne, die auf diesem Feld tätig sind. Denn Meeresenergie bedeutet auch Arbeiten in einer „extrem herausfordernden technischen Umgebung“, wie Weilepp es formuliert. Von der Verankerung der Anlagen im Meer (so dass sie auch einen Sturm unbeschadet überstehen können) über die hohen Anforderungen an das Material (das der ständigen Korrosion durch Salzwasser ausgesetzt ist) bis zu Schwierigkeiten mit Wartung und Reparatur stellt die Meeresenergie Ingenieure vor viele Probleme.
Hinzu kommt, dass gut geeignete Standorte teilweise an starkbefahrenen Schifffahrtsrouten liegen oder in Naturschutzgebieten. „Zudem müssen Meeresenergieanlagen auch extreme Bedingungen aushalten können, wenn sehr große Wellen mit dem vierzig- bis fünfzigfachen Energieinhalt einer durchschnittlichen Welle unterwegs sind“, sagt Weilepp. All das macht aus dem Thema aber auch ein besonders spannendes Einsatzgebiet für Forscher und Entwickler, für Maschinenbauer und Elektrotechniker genauso wie für Werkstoffexperten, Steuerungs- und Regelungsfachleute.
Deutschland wird nur die Technologie liefern
Denn trotz aller Schwierigkeiten gewinnt die Nutzung der Meeresenergie zunehmend Anhänger. „Zwei Drittel der Menschen auf dieser Erde leben in Küstennähe, daher wären die Transportwege des aus dem Meer gewonnenen Stroms vergleichsweise kurz“, sagt Karl Tragl, der Vertriebsvorstand der Bosch Rexroth AG. Der Konzern liefert Antriebssysteme für die beiden erfolgversprechenden Kategorien, in die sich Meeresenergieanlagen grob einteilen lassen: Kraftwerke, die Strom aus der Wellenbewegung erzeugen, einerseits; Anlagen, in denen die Gezeitenströmungen Turbinen antreiben, andererseits. „Ein Vorteil dieser Energiequellen ist, dass sie grundlastfähig sind“, erläutert Tragl - und vor allem das wiederum lockt insbesondere die großen Energiekonzerne an, Mittel in die Erprobung der neuen Technologien zu stecken. Bei Bosch Rexroth hält man es für möglich, dass die Meeresenergie in den nächsten zehn Jahren eine ähnliche Bedeutung wie die Windenergie bekommt. „Vorausgesetzt, es steigen jetzt genügend Investoren in das Geschäft ein“, schränkt Tragl ein. „In fünf bis zehn Jahren muss dieser Markt anspringen“, betont er. Und natürlich gehe es auch in dieser Technik nicht ohne eine garantierte Einspeisevergütung, darin sind sich die Fachleute einig.
Allerdings wird Deutschland wohl nur die Rolle des Technologielieferanten für andere Länder spielen. Großbritannien dagegen setzt beispielsweise darauf, selbst Standort von Meeresenergiekraftwerken zu werden. Auf dem Meeresenergieforum in Bremen präsentierte das Bundesumweltministerium unlängst eine Studie, die einer klaren Absage an solche Pläne gleichkommt. Vor allem wegen des Wattenmeers weise die deutsche Nord- und Ostseeküste nur 20 bis 25 Prozent des Nutzungspotentials der global besten Standorte auf, lautet das Fazit.