Effektive Steuerlast : Das neue Ringen um Hochqualifizierte
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Bürohäuser in Frankfurt Bild: dpa
Die Pandiemiekosten und die Mindeststeuer dürften den Steuerwettbewerb um Konzerne beenden. Die voranschreitende Digitalisierung setzt einen neuen Akzent.
Der Steuerwettbewerb könnte schon bald seine Stoßrichtung ändern. Haben bisher die Industrieländer mit niedrigeren Steuerlasten um Unternehmensansiedlungen gebuhlt, dürften sie sich nun vermehrt den besonders qualifizierten Arbeitskräften zuwenden. Zu dieser Schlussfolgerung kommen zumindest Forscher des ZEW – Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung und der Universität in Mannheim. Sie haben sich die Entwicklung in den Jahren 2009 bis 2019 angeschaut und einen Blick in die Zukunft gewagt.
Wenn Handelsbarrieren schwinden, etwa weil die Transportkosten sinken oder Zölle abgebaut werden, können Unternehmen leichter auswählen, wo sie produzieren, um ihre Märkte zu bedienen. Regierungen geben deshalb über ihr Steuersystem Investitionsanreize. Hochbezahlte Fachkräfte werden ebenfalls mobiler, sie können leichter entscheiden, wo sie wohnen und arbeiten. Unternehmen, die sie zu sich holen wollen, müssen ihnen in Ländern mit sehr hohen Abgaben entsprechend mehr zahlen.
Deutschland kommt nicht gut weg
Die Wissenschaftler aus Mannheim untersuchen in der noch unveröffentlichten Studie die effektive Steuerlast von Unternehmen und hochqualifizierten Arbeitskräften. Leonie Fischer, Jost Heckemeyer, Christoph Spengel und Daniela Steinbrenner nehmen achtzehn Mitgliedstaaten der Europäischen Union (noch mit Großbritannien) plus Amerika, Japan, Norwegen und die Schweiz sowie die vier Schwellenländer Brasilien, China, Indien und Russland in den Blick.
Für die Konzerne sank demnach die Last von 25,2 auf 22,7 Prozent (2009 bis 2019). Dabei gab es eine große Spanne: Sie reichte einst von 14,4 Prozent in Irland bis 41,7 Prozent in Japan, zuletzt ging es von 11,1 Prozent in Ungarn bis 40,8 Prozent in Indien. Auch in der Europäischen Union sanken ihre Steuern – angetrieben durch die fünf östlichen Mitgliedstaaten Tschechische Republik, Ungarn, Polen, Slowakei und Slowenien. Überdurchschnittlich war sie dagegen in den wirtschaftlichen Schwergewichten Frankreich, Spanien und Deutschland. Während die Regierungen in Paris und Madrid im Wettbewerb zuletzt Boden gutmachten, tat sich hierzulande wenig. Weil einige Kommunen die Gewerbesteuer erhöhten, stieg die Steuerlast für Konzerne in Deutschland sogar leicht.
Im Fall der Spitzenverdiener sehen die Autoren im untersuchten Zeitraum kaum Bewegung bei der effektiven Gesamtlast: sie stieg gerade einmal um 0,1 Prozentpunkte auf 40,3 Prozent. Auch hier gibt es eine große Kluft (16,3 Prozent in Russland, 59,5 Prozent in Belgien). In Deutschland betrug sie zuletzt knapp 40 Prozent, sie war damit leicht unter dem Durchschnitt. Alles in allem kommt Berlin in der Gesamtbilanz nicht gut weg: Passive Länder ohne größere Steuerreformen hätten an Boden verloren und seien weniger attraktiv geworden. In diesem Zusammenhang werden Deutschland und Brasilien genannt.
Wegen der Pandemiekosten und der international vereinbarten Mindeststeuer könnte das internationale Rennen nach unten bei der Unternehmensbelastung zu Ende gehen, vermuten die Forscher. Stattdessen könnte sich der Steuerwettbewerb mit der schnell voranschreitenden Digitalisierung auf die hochqualifizierten Arbeitskräfte konzentrieren.