Das ansteckende Gefühl der Einsamkeit
- -Aktualisiert am
Sich allein zu fühlen, ist keine Seltenheit. Bild: Vario
Isolation erscheint im Homeoffice fast normal. Aber sich einsam fühlen im Büro unter Arbeitskollegen? Das ist ein Tabu. Doch ein Gefühl der Leere auszusitzen, ist keine gute Idee.
Mein Gott, die sollen sich nicht so anstellen. Da muss jeder mal durch!“ Ruppig kommentierte ein Leser lange vor Corona einen Beitrag über Heimwehgefühle von Erstsemestern. Das geht vorüber. So richtig vorüber geht das lähmende Gefühl der Einsamkeit jedoch nicht mehr, seitdem die Pandemie mit ihren schwankenden Rückzugsregeln ausgebrochen ist. Beziehungen und deren Tragfähigkeit sind auf dem Prüfstand. Tim ist Softwareentwickler, einer von der geselligen Sorte. Ein einziger Bürotag in der vom Betrieb verordneten Homeoffice-Hochphase war dem 30-Jährigen zu wenig. Er gehörte zu jenen 20 Prozent, die sich im Homeoffice isoliert fühlen. Eine Zahl, die das Kompetenznetzwerk Public Health Covid-19 vorgelegt hat, ein Zusammenschluss von 25 wissenschaftlichen Fachgesellschaften.
„Mein Arbeitstag hat sich oft einsam angefühlt“, sagt Tim. Als Single sei er heilfroh, dass er endlich mehr Bürotage und Austausch habe. Julia ist Anwältin, wieder fünf Tage im Büro und umgeben von Kollegen. Angesprochen auf das Thema, sagt sie, dass sie sich oft abgehängt fühle, weil die anderen gemeinsame Hobbys und ein ähnliches politisches Weltbild verbinde. Sie ist da außen vor. Darüber sprechen mag sie ungern. „Das ist doch ein Privileg, in diesen Zeiten einen guten Arbeitsplatz zu haben. Es liegt auch an mir, dass ich mich manchmal einsam fühle.“ Wilhelm Schilling horcht bei so einem Satz auf. „Es ist hilfreich, nicht gleich sich selbst die Schuld an der wahrgenommenen Einsamkeit zu geben, sondern dies zu hinterfragen“, sagt der Vorsitzende der Sektion Wirtschaftspsychologie im Berufsverband der Deutschen Psychologinnen und Psychologen aus Berlin.
Jetzt 30 Tage kostenfrei testen 2,95 € / Woche
Jetzt kostenfrei Zugang abonnieren?