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Schwangere Chirurginnen : Wenn werdende Mütter operieren wollen

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Umstrittenes Einsatzgebiet für schwangere Ärztinnen: der Operationssaal Bild: ddp Images

Ist eine Chirurgin schwanger, wird ihr das Operieren meist untersagt, um das ungeborene Kind zu schützen. Manchen wird das Arbeiten sogar ganz verboten. Viele sehen das als unnötige Einschränkung.

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          Dass sie ihr viertes Kind erwartete, erfuhr Susanne von der Heydt an einem Morgen im Frühjahr 2011. Sie hatte schnell vor der Arbeit einen Schwangerschaftstest gemacht. Danach fuhr sie an ihren Arbeitsplatz, den Virchow-Campus der Charité in Berlin-Moabit. Von der Heydt, damals vierzig, ist Kinderchirurgin. Sie wusste, dass an diesem Morgen Routineoperationen anstanden. Womit sie nicht gerechnet hatte, war der Notfall: ein Kind, das einen Autounfall gehabt hatte.

          „Wir mussten das Kind während der Operation extrem viel röntgen“, sagt sie. „Ich bin immer so weit wie möglich weggegangen und habe zwei Bleischürzen übereinander angezogen.“ Daran, ihren Kollegen in diesem Moment zu sagen, dass sie schwanger war und keiner Strahlung ausgesetzt werden durfte, war nicht zu denken. „Man kann in einem vollen OP-Saal bei einem Notfall nicht sagen: ,Ich glaube, ich bin schwanger‘“, sagt von der Heydt. „In diesem Moment steht der verletzte Mensch, der in einer lebensbedrohlichen Situation ist, im Vordergrund.“

          Doch nach diesem Vorfall kam Susanne von der Heydt ins Grübeln. Sie hatte schon drei Kinder. Das erste kam, als sie 28 war und seit drei Jahren Examen hatte. Sie war damals mitten in der Weiterbildung zur Fachärztin für Kinderchirurgie. „Als ich das erste Mal schwanger war, habe ich so lange wie möglich weiter operiert, weil ich meine Weiterbildung im Blick hatte“, sagt sie. Das lange Stehen, Röntgenstrahlen, Infektionsgefahren, falls man sich doch einmal versehentlich mit einer Kanüle sticht - Susanne von der Heydt kannte diese Risiken, suchte sie aber zu vermeiden und trotzdem weiterzuarbeiten.

          „Wir treffen doch ständig weitreichende Entscheidungen“

          Zwölf Jahre später, unter dem Eindruck der Notfall-OP, ging sie zum Betriebsarzt der Charité und informierte ihn über ihre vierte Schwangerschaft. „Nicht mit dem Interesse, dass ich da komplett rausgezogen würde“, wie sie sagt. Das aber passierte. Von der Heydt musste sich erstmals in ihrem Leben auf Antikörper gegen das Zytomegalievirus (CMV) testen lassen. Sie war negativ, hatte also noch nie Kontakt mit dem Erreger gehabt, war demnach nicht immun und musste ab sofort vollständig zu Hause bleiben.

          CMV ist ein Virus, das beim ungeborenen Kind schwerste Behinderungen auslösen kann. Insbesondere Kinder im Vorschulalter scheiden das Virus oft mit Speichel und Urin aus. Daher werden Kinderärztinnen und andere Frauen, die mit Kleinkindern arbeiten, nach Bekanntgabe ihrer Schwangerschaft auf ihren Immunstatus getestet und gegebenenfalls sofort mit einem Beschäftigungsverbot belegt.

          Sie müssen ganz zu Hause bleiben, bekommen ihren Lohn aber weiter. Den Arbeitgeber entschädigt die Krankenkasse. So war es auch bei von der Heydt. Bei ihr kamen damals Zweifel an dieser Regelung auf. „Ärztinnen fällen ja in ihrem Beruf täglich sehr weitreichende Entscheidungen“, sagt sie. Dass ihnen nun während einer Schwangerschaft die Fähigkeit, medizinische Gefahren selbst einzuschätzen, abgesprochen und über ihren Kopf hinweg ein Beschäftigungsverbot erteilt wird, findet sie nicht angemessen.

          75 Prozent wünschen sich eine Änderung des Gesetzes

          Mit diesen Zweifeln steht Susanne von der Heydt für die Mehrzahl der chirurgisch tätigen Ärztinnen in Deutschland, folgt man einer Studie, die in der Fachzeitschrift „Geburtshilfe und Frauenheilkunde“ (Bd. 74, S. 875) erschienen ist. 75 Prozent der befragten Ärztinnen, die bereits mindestens ein Kind haben, wünschen sich eine Änderung des Mutterschutzgesetzes, weil sie die derzeitige starre Regelung als unbefriedigend empfinden. Befragt wurden 136 operativ tätige Gynäkologinnen und 28 Chirurginnen. Achtzig Prozent wünschten sich, selbst entscheiden zu können, ob sie schwanger weiter operieren wollen. Nicht alle schwangeren Ärztinnen erhalten ein vollständiges Beschäftigungsverbot wie Susanne von der Heydt. Viele werden mit Verwaltungsaufgaben betraut. So können sie sich nicht mit den vielen Eingriffen vertraut machen, die vor der Facharztprüfung abgearbeitet werden müssen. Ihre je nach Fachgebiet etwa fünf bis sechs Jahre währende Weiterbildungszeit verlängert sich.

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