Personalvermittler im Gespräch : „Computer verzeihen Bewerbern keine Rechtschreibfehler“
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Was passiert genau, wenn der Lebenslauf als erstes von einer Maschine gescannt wird? Bild: Reuters
Teile der Bewerberauswahl könnten künftig Roboter übernehmen. Was müssen Bewerber dann beachten? Wer fällt durchs Raster? Personalvermittler Mario Sestan hat Antworten.
Herr Sestan, die Arbeitswelt wird immer digitaler. Gilt das auch für die Personalauswahl? Sucht demnächst der Roboter Bewerber aus und nicht mehr ein menschlicher Personaler?
Nein, der Roboter wird nicht auswählen, aber er wird in bestimmten Fällen eine Vorauswahl treffen. Das ist heute schon so. Die Systeme heißen „Applicant Tracking Systems“, kurz ATS. Und sie können den Personalern schon eine Menge Arbeit abnehmen. Allerdings machen sie nur die Vorselektion. Im zweiten Schritt schaut noch einmal ein Mensch über die Auswahl und das Vorstellungsgespräch findet natürlich auch von Angesicht zu Angesicht statt.
Welche Unternehmen nutzen denn solche Systeme?
Vor allem Großunternehmen, die für bestimmte Positionen mehrere hundert Bewerbungen bekommen. Da ist dann das Vorsortieren schon ein gewisser Aufwand.
Und wie funktioniert so ein ATS?
Die Bewerbung geht online beim Unternehmen ein und dann läuft eine Art Suchprogramm darüber. Man kann es sich vorstellen, wie zum Beispiel die Suchfunktion in Word, die bestimmte Begriffe in einem Text finden kann. Das Programm sucht auf ähnliche Weise nach Schlüsselwörtern im Lebenslauf, die dem Arbeitgeber für die Stelle wichtig sind. Zum Beispiel „Englisch“ oder „SAP“.

Und wenn der Computer die Wörter nicht findet ist der Bewerber raus?
Kommt auf das Programm und die Wörter an. Man kann bestimmte Begriffe als K.-O.-Kriterien definieren, die zwingend im Lebenslauf drin sein müssen. Und andere als Kann-Kriterien. Das Programm kann am Ende eine Art Rangliste der Kandidaten erstellen, indem es erkennt, wie groß der Anteil der Muss- und Kann-Kriterien ist, die ein Bewerber erfüllt.
Und Rang eins bis zehn werden dann zum Vorstellungsgespräch eingeladen?
Nein. Da ist noch eine Stufe dazwischengeschaltet. Es schaut sich vorher nochmal ein Mensch an, was bei der Vorsortierung des schriftlichen Materials herausgekommen ist. Dann erst fällt die Entscheidung, wer eingeladen wird.
Wissen die Bewerber denn überhaupt, ob sie sich auf eine Stelle bewerben, wo sie es erst einmal mit dem Roboter zu tun haben?
Das steht natürlich nicht in der Stellenanzeige - würde ja auch etwas abschreckend wirken. Kein Bewerber mag das Gefühl, dass sein Lebenslauf zunächst in der Maschine landet. Aber es gibt Hinweise darauf, dass ein ATS zur Vorauswahl eingesetzt wird: Wenn man Online-Formulare für die Bewerbung nutzen soll, etwa oder wenn bestimmte formale Kriterien für den Lebenslauf gefordert werden. Computer lieben nun mal das Standardisierte.
Und wie sollte dann eine Bewerbung aussehen, damit der Computer sie gern mag?
Es sollten möglichst viele Punkte darin vorkommen, die in der Stellenanzeige gefordert werden. Bewerber sollten sich gezielt die Annonce hernehmen und gucken: Was davon habe ich in irgendeiner Form schon gemacht - und das dann erwähnen. Natürlich sollte man dabei nicht schummeln. Aber man darf schon gezielt die Dinge hervorheben, die gesucht sind.
Aber wo ist da die Grenze - habe ich schon Führungserfahrung, wenn ich an der Uni mal das Team für ein Referat geleitet habe?
Zu viel übertreiben sollte man nicht. Das kommt in der zweiten Bewerbungsrunde sowieso raus. Aber wer im Studium wirklich über längere Zeit Gruppen geleitet hat, kann schon reinschreiben, dass er eine Art Personalverantwortung hatte. Es muss halt im richtigen Kontext stehen. Und natürlich ist es auch eine Persönlichkeitsfrage. Manche Bewerber sind eher zurückhaltend, andere wollen mit allem punkten, was auch nur ansatzweise passt. Am Ende ist der Personaler gefragt, wer eher zum Unternehmen passt.
Und abgesehen von den Stichwörtern - welche Bewerbungen sortiert der Computer aus?
Maschinen sind stur. Computer verzeihen zum Beispiel keine Rechtschreibfehler. Wenn da „SPA“ steht, satt „SAP“, dann findet das Programm eben ein Stichwort weniger. Pech gehabt! Außerdem mag das ATS Standardschriften wie Times New Roman oder Arial, mit einer schönen Schreibschrift dagegen kann es nichts anfangen. Ebenso wenig mit Farben oder Logos. Fett und kursiv Geschriebenes sollte man auch nur dosiert einsetzen.
Sieht das dann nicht schrecklich unkreativ aus?
Stimmt, die Kreativität leidet, aber das muss ja nichts Schlechtes sein. Letztlich ist vieles von den kreativen Elementen ohnehin Geschmacksache. Der eine Personaler mag vielleicht bunte Farben, der andere schätzt es, wenn der Lebenslauf als Video eingereicht wird. Das ist doch höchst subjektiv!
Trotzdem schwer denkbar, dass etwa ein Bewerber im Bereich Werbung oder Marketing nichts Kreatives mehr zeigen darf...
Stimmt auch. Das Ganze funktioniert nur für bestimmte Branchen und Tätigkeiten. Je standardisierbarer die Tätigkeiten sind, die der Bewerber später machen soll, desto sinnvoller ist es, ein ATS einzusetzen. Und es kommt natürlich auch auf die Hierarchieebene an, für die der Arbeitgeber jemanden sucht. Für Führungskräfte kommt es kaum in Frage, für Azubis schon eher.
Ist es eigentlich denkbar, dass auch die zweite und dritte Stufe der Personalauswahl irgendwann in Zukunft mal durch einen Roboter gemacht wird? Zumindest, wenn es sich um einfachere Jobs handelt?
Das kann ich mir nicht vorstellen. So lange Menschen in den Büros sitzen und keine Roboter, so lange müssen auch Menschen die finale Auswahl der Bewerber treffen.