Personalarbeit in Coronazeiten : „Chefs müssen loslassen“
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Jeden Tag mit Maske anwesend? Das muss in vielen Büros mittlerweile gar nicht mehr sein. Bild: dpa
Zwei Personalmanagerinnen sprechen im Interview über Unsicherheiten in Corona-Zeiten, Entlassungen, die Zukunft des Homeoffice und die Parallelen von Eltern und Führungskräften.
Der Personalbereich galt lange als Abteilung für die Schönwetterthemen. Was hat Corona verändert?
Dransfeld-Haase: Wir haben schon vor Corona gesagt: Wir müssen vorbereitet sein auf die Transformation. Was sind die großen Fragen unserer Zeit? Was passiert gesellschaftlich? Klimawandel, Fridays for Future, Mobilität, Nachhaltigkeit? Was bedeutet Digitalisierung für lebenslanges Lernen? Aber wir dachten nicht, dass das alles so rasch und geballt auf uns zukommt. Wir steckten noch mitten in einem Arbeitnehmermarkt. Dann kam der Lockdown, die harte Zäsur.
Heser: Corona war ein Katalysator und hat viele Veränderungen extrem beschleunigt. Wir Personaler hatten eine steile Lernkurve und hätten uns natürlich für manches mehr Zeit gewünscht.
Gerade jüngere Personalmanager sind ja vor Corona noch nie mit einer Krise konfrontiert gewesen...
Dransfeld-Haase: Wir kommen aus einer Ausnahmekonjunktur von über zehn Jahren. Wir hatten uns lange eher mit Themen wie Recruiting oder Organisationsveränderung im positiven Sinne befasst. Als Corona kam, bekamen wir als Verbandspräsidium anfangs jeden Tag Dutzende Fragen. Wir haben viele Seminare angeboten, zum Beispiel zur Kurzarbeit, die waren im April innerhalb von Minuten ausgebucht. Kurzarbeit wurde über Nacht zum Massengeschäft für die Personaler.
Heser: Es gab viele praktische Fragen: Was machen wir mit Eltern oder Alleinerziehenden? Was ist mit Überstunden? Wie bekommt man die Leute dazu, dass sie Urlaub nehmen, obwohl sie nicht verreisen können? Und Fragen zu Gesundheit und zum Thema Resilienz.
Wie hat sich dadurch die Rolle des Personalbereichs verändert, der traditionell nicht das höchste Prestige hat?
Heser: Er hat an Bedeutung gewonnen. Der Personaler ist Dirigent eines Orchesters geworden, bringt in der Krise viele Menschen an einen Tisch und ist auch zentraler in die Unternehmensführung gerückt.
Dransfeld-Haase: Wenn man es mit der Finanzkrise 2008/2009 vergleicht: Da war der Finanzchef im Fokus, und jetzt sind es die Personalchefs mit ihren engagierten Teams.
Sind denn die deutschen Führungskräfte bereit für die neue Art, flexibel und auf Distanz zu führen?
Heser: Auch Führungskräfte hatten eine steile Lernkurve in der Corona-Zeit. Sie haben sich mit vielen Problemen ganz praktisch auseinandergesetzt, die bislang nur theoretisch in Workshops besprochen wurden. Es ging vor allem ums Vertrauenschenken in einer totalen Ausnahmesituation. Man kann das schön mit dem Schlagwort „Loslassen“ beschreiben. Ähnlich, wie es Eltern jeden Tag lernen müssen.
Noch steht Kurzarbeit im Zentrum, bald könnten mancherorts Kündigungen folgen. Was heißt das für Sie?
Dransfeld-Haase: Wir Personaler haben die Zeit genutzt und uns auch auf das Thema Arbeitsplatzabbau vorbereitet. Wie stellt man sicher, dass trotz Sozialauswahl am Ende eine Belegschaft vorhanden ist, die für die Zukunft gerüstet ist? Wie hält man diejenigen motiviert, die bleiben? Das Gute ist, dass wir mit dem Erfolgsinstrument Kurzarbeit in Deutschland ein bisschen mehr Zeit haben, anders als beispielsweise in Amerika, wo Entlassungen von einem Tag auf den anderen stattfinden. Was wir als Verband auch tun, ist, die Personalmanager in dieser schweren Zeit aufzufangen. Denn natürlich ist es nicht schön, wenn man Menschen entlässt und es am Ende bei jedem Einzelnen um die Existenz geht.
Vor Corona wurde viel über Arbeitszeiterfassung diskutiert. Was ist daraus geworden? Im Lockdown wäre es kaum denkbar gewesen, Eltern dafür zu rügen, dass sie Ruhezeiten nicht einhalten, oder?
Dransfeld-Haase: Ja, diese Diskussion fühlt sich an wie aus einer fernen Zeit. Aber wir sind im Hier und Jetzt und hatten quasi einen Pilotversuch über ganz Deutschland hinweg. Vorstände, Betriebsräte, Mitarbeiter – einfach jeder hat mitgemacht, und die Erfahrungen sind überwiegend positiv. Im Lockdown haben sich Eltern abgewechselt, der eine hat morgens, der andere nachmittags gearbeitet, und dann durfte man dazwischen noch Homeschooling betreiben. Da waren die Tage für alle pickepacke voll.
Heser: Da waren die Personaler auch besonders aktiv. Sie haben sehr kreative Lösungen geschaffen.
Jetzt hat sich die Situation ja etwas entspannt. Wie wird es weitergehen mit Homeoffice, dem mobilen Arbeiten und der ganzen Arbeitszeitgestaltung?
Dransfeld-Haase: Es werden vor allem hybride Modelle bleiben – Kombinationen aus Homeoffice und Präsenzarbeit, jedenfalls für diejenigen, die das überhaupt können. Denn es gibt immer noch einen großen Teil von Tätigkeiten, etwa in der Produktion, die gar nicht homeofficefähig sind.
Was sind Ihre Wünsche an die Politik für die neue Normalität?
Dransfeld-Haase: Was wir nicht brauchen, ist ein gesetzliches Recht auf Homeoffice. Dieser Zeit sind wir voraus. Wir leben schon verschiedenste Modelle, und die Betriebsparteien sind hier auf dem richtigen Weg.
Und was wünschen Sie sich mit Blick auf die Arbeitszeitgesetzgebung?
Heser: Weg vom Blick auf die tägliche Arbeitszeit, hin zur Wochenarbeitszeit! Das Arbeitszeitgesetz hat schon viele Jahre auf dem Buckel. Es sollte dringend modernisiert werden. Gleichzeitig haben wir Personaler den Schutz der Gesundheit der Mitarbeiter im Fokus. Die Arbeitsschutzvorgaben müssen eingehalten werden.