Ökonomisches Experiment : Liebe Chefs, immer schön fair bleiben!
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Wer als Vorgesetzter fair zu allen ist, sorgt im Zweifel für ein insgesamt produktives Klima. Bild: ddp
Der Vorgesetzte war unfair zu den Kollegen? Puh, gut dass es die anderen getroffen hat und nicht mich! Denken die meisten Beschäftigten wirklich so? Das haben Ökonomen jetzt in einem Experiment getestet.
Hatten Sie schon einmal eine Kündigungswelle in Ihrem Betrieb? Hatten Sie schon einmal Kollegen, die entlassen wurden, während Sie Ihren Arbeitsplatz behalten konnten? Und ging es dabei womöglich auch noch unfair zu? Wie haben Sie reagiert? Sich gefreut, dass der Kelch an Ihnen vorüber ging und umso motivierter weitergemacht? Oder Mitleid mit den Kollegen gehabt?
Falls Sie demotiviert waren und in der Folge weniger geleistet haben, sind Sie in großer Gesellschaft: Wie Menschen auf unfaire Situationen im Betrieb reagieren, die nicht sie selbst, sondern Kollegen betreffen, haben nämlich gerade Verhaltensökonomen des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH) mit Hilfe eines Experiments getestet. Die Quintessenz: Die meisten Mitarbeiter mögen es nicht, wenn ihre Kollegen unfair behandelt werden und sie lassen in der Folge selbst am Arbeitsplatz die Zügel schleifen.
Für ihr Experiment haben die Forscher aus Halle insgesamt 195 Menschen für die Arbeit in einem Callcenter eingestellt. Die Mitarbeiter wurden in drei Gruppen eingeteilt und in je 3,5 Stunden langen Schichten eingesetzt. Alle bekamen zu Schichtbeginn je 40 Euro Lohn. Während der ersten Schicht hatten alle drei Gruppen gleich viel Personal zur Verfügung, um die Aufgaben zu bewältigen. Während der zweiten Schicht reduzierten die Forscher in einer der Gruppen das Personal um 20 Prozent - ohne dafür Gründe anzugeben. In der dritten Gruppe wurde das Personal ebenfalls um 20 Prozent reduziert, jedoch den verbliebenen Mitarbeitern kommuniziert, dass es sich um Kündigungen handele. „Den Personen in der dritten Gruppe sagten wir außerdem, dass wir ihren Kolleginnen und Kollegen gekündigt haben, damit wir Kosten sparen können, und dass die Auswahl der Personen vollkommen willkürlich war. Wir wollten, dass die Situation möglichst unfair wirkt“, sagt die Ökonomin Sabrina Jeworrek, die die Forschungsgruppe geleitet hat.
Mehr Pausen, weniger Produktivität
Das rächte sich prompt: In der dritten Gruppe wurden die Beschäftigten langsamer und nachlässiger. Der Effekt war signifikant: Die durchschnittliche Anzahl der Anrufe sank um 12 Prozent, da die Probanden längere Pausen einlegten und den Arbeitsplatz früher verließen. Der Umstand, dass in der zweiten Vergleichsgruppe ebenfalls 20 Prozent weniger Arbeitskräfte beschäftigt waren, schien demgegenüber aber keinen Einfluss auf die Produktivität zu haben.
„Wir vermuten, dass die Kosten von unfairem Verhalten für Arbeitgeber deutlich höher sind als ursprünglich gedacht“, sagt Jeworrek. „Sparmaßnahmen können ihr Ziel komplett verfehlen, wenn Angestellte durch die Kündigungen ihrer Kolleginnen und Kollegen unproduktiver werden.“ Übrigens haben die Forscher im Anschluss an das Experiment auch noch Personalfachleute nach ihrer Einschätzung gefragt: 60 Prozent von ihnen überschätzten den Effekt, den die unfairen Kündigungen auf den Rest der Belegschaft haben würden. 40 Prozent dagegen unterschätzten den Effekt oder nahmen sogar fälschlicherweise an, dass die verbliebene Belegschaft ihre Produktivität noch steigern würde.