Kulturwandel in Unternehmen : Alle Mann raus aus den Silos!
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Alles richtig umkrempeln und wie im Silicon Valley arbeiten? Schön wär’s! Bild: Dave Reede/AGStock USA/Gruppe28
Daimler und die Banken wollen wie coole Start-ups sein. Sie lösen Abteilungsgrenzen auf, um die Schwarmintelligenz der Mitarbeiter zu fördern. Meinen es die Chefs diesmal ernst?
Es bewegt sich was in Deutschlands Chefetagen. Denn die digitale Revolution fegt über die Unternehmen rund um den Globus hinweg und krempelt ganze Industrien um. In der Musik- und der Medienindustrie sind etablierte Geschäftsmodelle schon über den Haufen geworfen, andere Branchen wie der Tourismus stecken gerade mitten im Umbruch, und einer dritten Gruppe steht der Tsunami noch bevor. In der alten Welt hat Größe noch geschützt. Es galt: Wen du nicht im Wettbewerb schlagen kannst, den musst du einfach kaufen. In der neuen Welt sind einstige Pioniere wie Google, Facebook und Amazon aber längst selbst zu Großeinkäufern geworden - und auch die zweite Generation um Plattformanbieter wie Airbnb oder Uber mischt munter an der Spitze der Entwicklung mit.
Also heißt die neue Strategie: Kopieren geht über Studieren. Deutsche Konzerne wollen künftig wie die lockeren Start-ups aus dem Internet sein und rufen den Kulturwandel aus. Weg mit starren Abteilungsgrenzen, künftig wird jeder mit jedem vernetzt. Schwarmintelligenz, flache Hierarchien, die Mitarbeiter endlich rausholen aus ihren Silos, in denen nur die Ziele der eigenen Abteilung verfolgt werden, nicht aber das Wohl des gesamten Unternehmens - was jahrelang zur Leerformel auf Managementkongressen verkommen war, scheint endlich umgesetzt zu werden. Zumindest, wenn es nach den Worten der Entscheider geht.
Ein Zentrum dieser Revolution liegt ausgerechnet im beschaulichen Schwaben. In der Stuttgarter Daimler-Zentrale treibt der Vorstandsvorsitzende Dieter Zetsche den Umbruch voran. Deutschlands bestbezahlter Dax-Chef, der sich ohnehin gerne hemdsärmelig und schlipslos unter die Belegschaft mischt, ist davon überzeugt, dass es ohne Kulturrevolution im eigenen Konzern gar nicht gelingen kann, den Autohersteller in die Zukunft zu katapultieren. Fünf Hierarchien abklappern, um eine einfache Frage beantwortet zu bekommen? Das wirkt nicht mehr so sinnvoll, wenn vielleicht schon im Jahr 2030 kein einziger Diesel und kein Benziner mehr zugelassen werden soll und wenn die Vision vom autonomen Fahren immer greifbarer wird. In solchen Zeiten müsste man flexibel sein wie ein Start-up, das neugierig der Zukunft entgegenfiebert, stellte Zetsche fest, als die Daimler-Führungsriege im Silicon Valley unterwegs war. Und dabei müsste man idealerweise gleichzeitig die Stärken einer 130 Jahre alten Kompetenz-Sammlung ausspielen können.
Mitarbeiter organisieren sich in Schwärmen
Eine Lösung für diese Aufgabe soll die Schwarmorganisation sein, die Daimler gerade entwickelt. Zu bestimmten Themen sollen Mitarbeiter sich in Schwärmen organisieren: „Sie agieren unabhängig von Abteilungsgrenzen sehr autonom und vernetzt, und das ist dann keinesfalls auf einzelne Projekte beschränkt, sondern eine dauerhafte Sache“, hat Zetsche der F.A.Z. erklärt. Niemand soll mehr warten müssen, bis der eigene Chef mit dem Pendant in der anderen Abteilung sich geeinigt hat, ob man hier oder da dies oder jenes tun könne. Wenn es die Aufgabe erfordert, geht es einfach weiter. Jedenfalls ist das so geplant. Nicht für irgendwann, sondern sofort.
„Wir stellen uns vor, dass wir kurzfristig, innerhalb von einem halben Jahr oder einem Jahr, rund 20 Prozent der Mitarbeiter auf diese Organisationsform umstellen“, sagt Zetsche. Das wären nach heutigem Stand satte 56 000 Menschen. Es geht um jene unklare und doch so nahe Zukunft der Mobilität, die Daimler unter dem Schlagwort „Case“ ankündigt: connected, autonomous, shared und electric. Berührungsängste mit Uber, Tesla, Apple oder Google darf hier niemand haben.