Innere Kündigung : „Keine faulen Kompromisse“
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Bild: F.A.Z. - Tresckow
Eine Kündigung kann heilsam sein, sagt der Wirtschaftspsychologe Ralf Brinkmann. Man sollte nicht zu lange warten. Wer seinen Job nur aus wirtschaftlichem Zwang erfülle, riskiere schlimme Folgen für seine Psyche.
Eine Kündigung kann heilsam sein, sagt der Wirtschaftspsychologe Ralf Brinkmann. Man sollte vor ihr nicht zu lange zurückschrecken. Denn wer seinen Job nur noch aus wirtschaftlichem Zwang erfülle, riskiere schlimme Folgen für seine Psyche.
Herr Brinkmann, Sie haben sich mit dem Phänomen der inneren Kündigung befasst. Was verstehen Sie darunter und welches Ziel hatte die Untersuchung?
In der Regel geht es bei der inneren Kündigung um einen Bruch des „psychologischen Arbeitsvertrages.“ Darunter verstehe ich das innere Gegenstück zum reellen, rechtsverbindlichen Kontrakt. Er beinhaltet all die unausgesprochenen Erwartungen, Hoffnungen und Wünsche des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber. Zur inneren Kündigung kommt es häufig, wenn Mitarbeiter das Gefühl haben, ungerecht behandelt worden zu sein. Die Betreffenden versuchen dann eine „gerechte“ Situation für sich herbeizuführen bzw. die unbefriedigende Arbeitssituation wieder in den Griff zu bekommen. Wir wollten die Symptome definieren, damit eine Gefährdung durch das Phänomen überhaupt diagnostiziert werden kann. Das würde sowohl den Betroffenen als auch den Unternehmen bei der Problemlösung helfen.
Was geht in den betroffenen Arbeitnehmern vor?
Ein wesentliches Merkmal ist der lautlose Verlauf einer inneren Kündigung. Sie erfolgt im Verborgenen. Die Betroffenen wollen nicht auffallen und Konflikte vermeiden, da ihnen im schlimmsten Fall eine Kündigung seitens des Arbeitgebers droht. Der Arbeitnehmer möchte seine Stelle aber in der Regel behalten.
Und wie geht es dann weiter?
Die innere Kündigung ist häufig das Resultat eines langwierigen Prozesses, dem punktuell einschneidende Negativerlebnisse im Arbeitsleben des Beschäftigten zu Grunde liegen. Dann werden aus einstmals hoch motivierten Mitarbeitern irgendwann Mitläufer, die täglich nur noch auf ihren Feierabend warten. Sie reduzieren ihre Kommunikation, bringen keine neuen Ideen mehr ein und mutieren zu Jasagern.
Können Sie kurz skizzieren, welche Folgen die innere Kündigung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber hat?
In der Regel haben wir zwei Verlierer: Die Betroffenen und die Unternehmen. Das individuelle Rückzugsverhalten und die emotionale Distanz zur Arbeit höhlen den innerlich gekündigten Arbeitnehmer in einem wichtigen Bereich aus: dem der Sinnhaftigkeit seiner Arbeit. Die ungeliebte Tätigkeit, häufige berufliche Frustrationen, mangelnde Perspektiven und fehlende Ziele führen bei vielen zu emotionalen Spannungen und Konflikten. Die Folge ist Stress. Menschen, die in der Gefahr stehen, innerlich zu kündigen, haben innerhalb der Arbeit oft nicht mehr ausreichende soziale Unterstützung, um berufliche Enttäuschungen zu verarbeiten oder unbefriedigende Arbeitssituationen zu verändern, indem sie sich Rat und Sichtweise anderer einholen. Es ist wichtig, dieses Defizit zu erkennen und zu beheben. Denn diese Unterstützung auf emotionaler Ebene, sei es durch direkte Hilfe oder indem man mithilfe von Informationen neue Perspektiven vermittelt, führt dazu, dass sich der Betroffene nicht allein gelassen fühlt. Schließlich ist das Gespräch mit der Führungskraft wichtig, um unausgesprochene Erwartungen und Ziele anzusprechen. Wenn all das nicht geschieht, sinken Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl. Es entsteht ein Zustand der Hilf- und Hoffnungslosigkeit, das Gefühl vollständiger Erschöpfung, Depression und Apathie.
…und das hat dann auch negative Folgen für die Arbeitgeber.
Ganz klar. Der bewusste Entschluss eines Arbeitnehmers auf Engagement und Eigeninitiative zu verzichten kann sich extrem negativ auf Unternehmen auswirken, denn dem gezielten Ausschöpfen von Produktivitätsreserven stehen innerlich gekündigte Mitarbeiter zwangsläufig im Weg.
Hat die innere Kündigung nur negative Seiten?