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Tüftlerstandort Ba-Wü : Willkommen im Cluster-Ländle

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Baden-Württemberg pflegt sein Image als Auto-Region. Aber Daimler ist nicht der einzige Stern, der am Industriestandort im Südwesten strahlt. Bild: AP

Der Südwesten rühmt sich als Land der Tüftler. Viele Industriezweige haben dort lange Tradition. Und auch heute noch hat das „Ländle“ eine hohe Innovationskraft. Auftakt der Mini-Serie über den Standort Baden-Württemberg.

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          Das Auto, immer wieder das Auto. Wer im Ausland erzählt, er komme aus Baden-Württemberg oder arbeite dort, erntet schon ob der zungenbrecherischen Aussprache des Landesnamens häufig fragende Blicke. „Bör-lin“ oder „Ba-vä-ria“ lassen sich eben leichter in andere Sprachen transportieren. Aber Mercedes, Porsche oder auch Bosch, da hellen sich die Gesichter rasch auf. „Aaah, das Auto-Land, alles klar.“ Und es stimmt ja auch, die Fahrzeugindustrie dominiert den Südwesten, nicht nur weil Daimler im Ländle in den Werken Sindelfingen und Rastatt immer noch mehrere hunderttausend Fahrzeuge im Jahr bauen lässt und in Stuttgart eine Millionenstückzahl an Getrieben, Achsen und Motoren.

          Auch zwei der größten Autozulieferer der Welt, Bosch und ZF, haben ihren Sitz im Südwesten, und dazu kommen Tausende mittelständischer Maschinenbauer, Elektrotechnikbetriebe und Softwareschmieden, die ebenfalls stark vom Auto abhängen. Gut 230.000 Mitarbeiter in den Autokonzernen und ihren Teileherstellern zählen die Statistiker im Ländle - das ist rund jeder fünfte Arbeitsplatz im verarbeitenden Gewerbe.

          Allerdings: In puncto Beschäftigung haben die Maschinenbauer die Oberherrschaft, sie kommen auf knapp 286.000 Mitarbeiter. Und darüber hinaus gibt es weitaus mehr und ältere industrielle Traditionen als den Fahrzeugbau, die bis heute gepflegt und mit dem vielgerühmten Erfindergeist vorangebracht werden. Lange bevor Bertha Benz im August 1888 den von ihrem Mann konstruierten Wagen erstmals von Mannheim nach Pforzheim steuerte, wurde am Zielort ihrer Reise schon industriell Schmuck hergestellt, wurden im Schwarzwald die Uhren- und Feinwerktechnik perfektioniert und am Rande der Schwäbischen Alb Präzisionswaagen hergestellt.

          Bekenntnis zur Industrie auch von grün-rot

          Und schon früh - von 1840 an - wurde der Aufbau einer Industrie vom Staat gefördert: Der württembergische König Wilhelm I. bot Jungunternehmen finanzielle Unterstützung, trug zur besseren Ausbildung der Arbeiter bei und ließ das Eisenbahnnetz ausbauen. Die Gründung einer Zentralstelle für Handel und Gewerbe im Jahr 1848 mit Ferdinand Steinbeis als Leiter erwies sich dabei als besonders bedeutsam, sorgte er doch unter anderem für den Bau von Gewerbeschulen quer durchs Land - die Vorläufer der heutigen dualen Ausbildung.

          Das Bekenntnis zur Industrie legt heute auch die grün-rote Landesregierung ab. Baden-Württemberg sei „Innovationsland Nummer eins“, wirbt Landeschef Winfried Kretschmann ganz oben auf der Internetseite seiner Staatskanzlei.

          Laut seines Statistischen Landesamts weist der Südwesten unter 87 europäischen Regionen tatsächlich die höchste Innovationskraft auf. Nirgends sonst werde ein höherer Anteil der Wirtschaftsleistung in Forschung und Entwicklung investiert, nirgendwo sei der Anteil der Erwerbstätigen in forschungsintensiven Industriezweigen höher, heißt es. Und was die Badener und Württemberger am meisten freuen dürfte: Der Abstand zum Ranglistenzweiten Bayern ist dabei ganz erheblich.

          Schaffe, schaffe, Klaschter baue

          Die größten Wettbewerber der Firmen in Baden-Württemberg sitzen also direkt um die Ecke. Das sollte einen Unternehmer eigentlich nervös machen. Ist doch die Gefahr groß, dass etwa die besten Mitarbeiter plötzlich abgeworben werden, ohne dass sie ihren Wohnsitz verlassen müssen. Tatsächlich jedoch lieben die Mittelständler im Südwesten ihre Cluster (gesprochen: „Klaschter“). Meistens jedenfalls. Zum einen befruchte das enge Geflecht aus Zulieferern, Wettbewerbern und Ideengebern das eigene Geschäft, heißt es. Zum anderen gehört zu einem richtigen Cluster auch die eine oder andere Hochschule, die sich den Ausbildungswünschen der Unternehmen vor Ort öffnet.

          Übersicht der wichtigsten Cluster im Südwesten
          Übersicht der wichtigsten Cluster im Südwesten : Bild: F.A.Z.

          Gerade in den ländlichen Regionen Baden-Württembergs sind solche Bildungsstätten in Furtwangen, Tuttlingen, Ravensburg oder Künzelsau für die Betriebe Gold wert, um Nachwuchskräfte zu bekommen. Das Ländle ist auch besonders fleißig im Cluster-Bau: Mehr als 80 solcher regionaler Netzwerke listet der Cluster-Atlas der Landesregierung auf, weit mehr als etwa der bayerische Nachbar, den zu übertrumpfen immer noch eine Herzensangelegenheit im Südwesten ist.

          Manche Cluster haben eine lange historische Tradition wie etwa die Medizintechnik in Tuttlingen oder die Feinwerktechnik rund um Villingen-Schwenningen, andere sind noch jung wie die Biotechnologie in Heidelberg. Doch manchmal platzt den Unternehmern auch der Kragen über das Verhalten im Cluster. Denn abgekupfert wird auch im Ländle gern - vor allem vom erfolgreichen Nachbarn am anderen Ende der Straße.

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