Im Gespräch: Elitenforscher Michael Hartmann : „Ausländer sind nicht so gut vernetzt“
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Michael Hartmann Bild: Helmut Fricke
Die Vorstände deutscher Unternehmen bestehen fast ausschließlich aus weißen deutschen Männern, stellt Elitenforscher Michael Hartmann im F.A.Z.-Gespräch fest. Zu Recht werde mangelnde Vielfalt beklagt.
Siemens-Chef Peter Löscher beschwerte sich kürzlich über den zu deutschen, zu männerlastigen Siemens-Vorstand. Zu Recht?
Ja, faktisch stimmt das. Die Vorstände deutscher Unternehmen bestehen fast ausschließlich aus weißen deutschen Männern. Es gibt derzeit nur eine einzige Frau in einem Dax-Vorstand, das ist Bettina von Oesterreich bei Hypo Real Estate. Und die wenigen Ausländer kommen aus Nachbarländern wie Österreich, der Schweiz und Dänemark, die uns sprachlich und kulturell nahestehen. Die kann man nicht ernsthaft als Ausländer bezeichnen.
Plädieren Sie dafür, dass in einem deutschen Konzern beispielsweise ein Chinese das Chinageschäft führen sollte?
Es ist nicht so, dass ein Chinese das Chinageschäft grundsätzlich besser führt als ein Deutscher. Er kennt sich sicher besser mit den staatlichen Strukturen und den Konsumgewohnheiten vor Ort aus, kann im Land besser kommunizieren. Auf der anderen Seite wird eine ausländische Führungskraft in einem deutschen Unternehmen nie so gut vernetzt sein wie die einheimischen Kollegen. Diese Vor- und Nachteile muss man gegeneinander abwägen.
Gilt das auch, wenn ein Ausländer schon seit Jahren in Deutschland lebt und arbeitet?
Ja, auch dann bleibt eine Barriere. Einfach weil die gemeinsame Sprachbasis fehlt. Echte Ausländer können noch so gut Deutsch lernen - sie verstehen in der Regel die sprachlichen Feinheiten nicht, das, was zwischen den Zeilen mitschwingt, Andeutungen, Ironie. Und genau das ist von großer Bedeutung.
Nach Ihren Studien ist in Frankreich der Ausländeranteil deutlich geringer als in Deutschland, in Großbritannien deutlich höher. Warum?
Das liegt in erster Linie an der dominierenden Bedeutung des Finanzplatzes London und an der Sprache. Der englische Sprachraum ist nun mal wesentlich größer als der französische. Aber es spielen auch die Karrierewege eine Rolle. Durch die Eliteinstitutionen der hohen Verwaltung und den regelmäßigen Wechsel von dort in die Wirtschaft sind die Vorstandsetagen in Frankreich abgeschotteter.
Gehen Sie davon aus, dass der Ausländeranteil in den deutschen Vorstandsetagen in Zukunft steigt?
Er wird sicherlich langfristig steigen, allein schon durch länderübergreifende Unternehmensfusionen und die damit verbundenen Umstrukturierungen im Topmanagement. Aber die Durchmischung findet wesentlich langsamer statt, als viele das vor einigen Jahren gedacht haben.