Anders Arbeiten : Ein Hoch auf das Großraumbüro
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Viel Raum für Kreativität: ein Großraumbüro in Berlin Bild: Beos AG
Die Kollegen inspirieren, die Gemeinschaft diszipliniert: Das Einzelbüro macht einsam. Eine Verteidigung des Großraumbüros.
Ein Großraumbüro ist ein Paradies der Kommunikation und der Zusammenarbeit. Und dass diejenigen, die für ihre Einführung oder weitere Nutzung plädieren, niemals selbst inmitten der Mitarbeiter ihres Teams sitzen, ist ein Gerücht: Um die These zu widerlegen, muss man noch nicht einmal ins Silicon Valley oder zu Start-ups nach Berlin reisen. Es gibt reichlich Chefs in ganz traditionellen Unternehmen, die ebenso in Großraumbüros arbeiten wie ihre Kollegen. Auch in Einzel- oder Zweierbüros kann man ganz wunderbar unproduktiv sein, wenn das ein Argument gegen den größeren Raum sein sollte. Ganz im Gegenteil kann die Produktivität im gemeinsamen Büro jeden Mitarbeiter kräftig dazu motivieren, selbst ebenfalls nicht durchzuhängen.
In den vergangenen zehn Jahren habe ich fast die gesamte Zeit im Großraumbüro gearbeitet, stets in derselben Stadt, für dieselbe Zeitung, seit allerjüngster Zeit in einem anderen Newsroom als in den Jahren zuvor. Und ich bin mir nicht sicher, warum man dabei unbedingt an Flucht oder die Berge in Österreich und der Schweiz denken sollte, wie jüngst ein geschätzter Kollege: Tatsächlich ist es so, dass ich durch Rat und Tat der Kolleginnen und Kollegen im Großraumbüro in meiner Arbeit besser geworden bin. Ohne ihre Anregungen und Einwände wären die Gedanken zur Zeitung oder nun zum Netz viel weniger kreativ ausgefallen.
Gewiss, es ist besser, wenn man in diesen Büros einen festen Platz hat; jeden Tag einen freien Schreibtisch suchen zu müssen, ist keine gute Idee, besonders dann, wenn es zu wenige davon gibt. Wenn die Arbeitsplätze aber in ausreichender Zahl vorhanden sind, alle gleich aussehen – und zumindest darauf geachtet wird, dass die Schreibtische nicht zugemüllt werden, dann ist auch das kein größeres Problem. Und einen freien Arbeitsplatz gibt es eigentlich immer: Urlaubszeiten, Schichtzeiten und krankheitsbedingte Abwesenheiten sorgen schon dafür, dass man irgendwo seinen Platz für den Tag findet.
In der Regel genügen ein paar Handgriffe
Und ja, benutze Kaffeetassen stünden in der Spülmaschine besser als auf dem Schreibtisch. Der Ordnungssinn der Kollegen lässt viel zu häufig auf ein Teilversagen der Eltern in der Erziehung schließen. Aber in der Regel genügen ein paar Handgriffe, und die Sache hat sich. Wer sich über so etwas aufregen will, wird auch Gründe finden, sich im Einzelbüro über seine Nachbarn zu ärgern. Man kann dort nämlich auch zu laut telefonieren, in der Nacht das Licht anlassen – oder zu häufig Gäste empfangen. Im schlimmsten Fall ist gegenüber gar die Kaffeeküche untergebracht, die zum lautstarken Plausch auf dem Gang einlädt. Wie schön ist da doch die verlässlich-monotone Grundlautstärke des Großraumbüros, die es ganz einfach macht, in den eigenen Gedanken zu versinken und am jeweiligen Text weiterzuarbeiten.