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Gesundheitspolitik : Auch die Ärzte zieht es in die Städte

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Niederlassung auf dem Land soll mit Zuschlägen gefördert werden

Niederlassung auf dem Land soll mit Zuschlägen gefördert werden Bild: dpa/dpaweb

Immer weniger Abiturienten absolvieren ihr Medizinstudium erfolgreich, immer mehr junge Ärzte wandern aus oder wollen als Manager in der Industrie mehr Geld verdienen, sagen die Standesvertreter. Ärztemangel? So einfach ist es nicht.

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          Die organisierte Ärzteschaft warnt vor einem Ärztemangel. Immer weniger Abiturienten absolvierten ein Medizinstudium erfolgreich, unterdessen gingen immer mehr junge Ärzte ins Ausland oder wollten als Manager in der Industrie unter geringerer Arbeitsbelastung mehr Geld verdienen. Doch so einfach ist es nicht. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Niedersachsen spricht einstweilen nur von einem "gefühlten Ärztemangel". Die Niedersachsen müssen es am besten wissen, denn hier, nicht in Mecklenburg-Vorpommern, ist die "Arztdichte", das Verhältnis von Ärzten zur Einwohnerzahl, am geringsten. In Niedersachsen kommen auf einen Arzt, der von der Ärztekammer registriert ist, rechnerisch 241 Einwohner. Im ostdeutschen Mittel sind es 226, in Mecklenburg-Vorpommern 199, im westdeutschen Mittel 198, und in Bayern 187. Letzteres ist unter Ärzten das beliebteste Flächenland. Noch begehrter sind nur die Stadtstaaten Bremen (157 Einwohner je Arzt, Hamburg 147 und Berlin 133).

          Im internationalen Vergleich ist die Arztdichte in Deutschland nicht gering. Am höchsten war sie nach Angaben der Vereinten Nationen im Jahr 2004 in Kuba. In der kommunistischen Diktatur kamen 591 Ärzte auf 100.000 Einwohner, in Russland 425. Im früheren EU-Raum liegt Italien mit 420 Ärzten je 100 000 Einwohner an der Spitze. Österreich (338) sowie Deutschland und Frankreich (je 337) folgen. Mit deutlich weniger Ärzten müssen die Amerikaner (256), die Polen (247) und die Briten (230) leben. Einen direkten Zusammenhang zwischen Arztdichte und Lebenserwartung gibt es nicht.

          Zahl der Medizinstudenten stagniert

          Die Zahl der Medizinstudenten ist in Deutschland seit Jahren etwa konstant. In den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, als das Medizinstudium einer Lizenz zum Gelddrucken glich, schnellte die Zahl der Studienanfänger im Fach Medizin in Deutschland nach oben. Von 1975 bis 1985 stieg die Zahl der Medizinstudenten in Deutschland von 43 368 auf 84 063. Plötzlich war von der "Ärzteschwemme" die Rede. Aus Mitteln der Bundesanstalt für Arbeit wurden Kurse finanziert, um mit Steuermitteln teuer ausgebildete Ärzte zu Journalisten oder Computerspezialisten umzuschulen.

          Deutschland liegt bei der Arztdichte international im Mittelfeld
          Deutschland liegt bei der Arztdichte international im Mittelfeld : Bild: AP

          Die jungen Leute zogen Konsequenzen. Für jene, die nur der Aussicht auf Reichtum wegen hatten Arzt werden wollen, wurde der Beruf unattraktiv. Trotz der deutschen Wiedervereinigung und der Aufnahme der ostdeutschen Studenten in die zuvor westdeutsche Statistik sank die Zahl der Medizinstudenten in Deutschland von 85 091 im Jahr 1989 bis zum Ende der neunziger Jahre auf gut 80 000, wo sie bis heute (2006: 80 499) etwa verharrt.

          Kaum Abbrecher

          Zugleich sind die Medizinstudenten unter allen angehenden Akademikern jene, die ihrem Fach am treuesten sind. Die Studienabbruchquote in der Humanmedizin war im Jahr 2004, wie schon in den Vorjahren, mit neun Prozent eine der geringsten. Nur in Zahn- und Veterinärmedizin war sie mit zwei Prozent noch geringer. Im Durchschnitt der Fächer, die an deutschen Universitäten gelehrt wurden, betrug sie 24 Prozent. Am höchsten war sie unter Sprach- und Kulturwissenschaftlern (43 Prozent), während gut ein Viertel der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler (26 Prozent) sowie der Mathematiker, der Natur- und Ingenieurwissenschaftler (28 Prozent) aufgab. Noch positiver fällt die "Schwundquote" für die Mediziner aus, welche das Hochschul-Informations-System in Hannover publiziert. Im Jahr 2002 brachen zwar zehn Prozent der Humanmediziner ihr Studium ab, und drei Prozent wechselten in ein anderes Fach. Doch diesem "Schwund" stand eine "Zuwanderung" aus anderen Fächern von 15 Prozent gegenüber, so dass die Bilanz mit plus zwei Prozent für die Ärzte grandios ausfiel.

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