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Schöne Schaufenster : Mit Skelett und Dampfbügler

Schon im Juni wird es höchste Zeit, in München die Dirndl zu dekorieren. Bild: Lisowski, Philip

Sie vereinen die Talente von fast zehn Berufen in einem: Die Gestalter für visuelles Marketing. Das Bauen riesiger Papp-Pralinés gehört dabei ebenso zu ihrem Job wie das Arrangieren von faltigen Dessous.

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          Es soll schön werden, der Weg dahin sieht aber reichlich brutal aus. Da werden Köpfe gedreht, abgeschraubte Arme über die Fläche getragen und Rümpfe zurechtgerückt. Vorsichtig wird das frisch aufgebügelte Hemd über den muskulären Männeroberkörper gezogen, noch schlackern die Ärmel, denn die Arme werden erst hinterher per Magnetsystem angeklickt. Bis jeder Krawattenknoten sitzt, haben die Mitarbeiter in den Schaufenstern des Kaufhofs am Münchener Marienplatz einiges zu tun. Sie ernten immer wieder neugierige Blicke, rund 14.000 Passanten bummeln stündlich über die Kaufinger Straße. Früher hieß der Beruf Schmücker und Dekorateur, dann Schauwerbegestalter und heute Gestalter für visuelles Marketing.

          Ursula Kals
          Redakteurin in der Wirtschaft, zuständig für „Jugend schreibt“.

          Diese Ausbildungsplätze im Handel sind hochbegehrt, denn die Arbeit rund um eine flotte Warenpräsentation verheißt Kreativität. Die Anziehungskraft ist verständlich, sagt Eduard Schöwe, Geschäftsführer Personal der Filiale. Aber er bedauert, dass sich für die Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann weit weniger junge Leute interessieren, obgleich es auch dort gute Perspektiven gibt. Jedenfalls erscheint es vielen Bewerbern attraktiver, sich kreativ ausleben zu können, das klingt verlockender, als sich an unbeliebten Routinetätigkeiten abzuarbeiten. Manches löst der Beruf tatsächlich ein, bestätigen die Auszubildenden, die im zweiten Untergeschoss des Warenhauses Schaufensterausstattungen fertigen, um die Waren gefällig zu inszenieren.

          Es gibt eine Schreinerei, eine Dampfbügelstation und ausladende Tische, an denen geschnitten und getackert wird. Im Hintergrund werden halbierte Schaufensterpuppen hin und her geschoben, auf einer Schranktür steht „Skelette“, so heißen die Schriftschablonen. Die Wandschränke fassen vom Abstandshalter bis zur Spanplatte bei weitem nicht alles Material. Viele Requisiten warten im Außenlager auf ihren Einsatz oder nach erfolgtem Auftritt auf den Dekoverkauf. An diesem Vormittag werden Weidenkörbe mit blau überzogenen Schablonen-Einsätzen so präpariert, dass sich auf ihnen später Hemden stapeln.

          Guido Maria Kretschmer gut ausgeleuchtet

          Einfallsreichtum und handwerkliches Geschick müssen die Auszubildenden in den drei Ausbildungsjahren unter Beweis stellen. Sie müssen von allem etwas können, als Messebauer, Dekorateur, Schlosser, Schreiner, Tapezierer, Polsterer, Teppichverleger, Grafiker agieren. Und sie brauchen dreidimensionales Denken, um eine Vorstellung davon zu entwickeln, wie die überdimensionale Papp-Praline, die auf Podesten in der Lebensmittelabteilung präsidiert, dann tatsächlich aussehen wird. Oder wie bewirbt man Trüffelöl, köstlich, aber total unauffällig? Ein Pilzdummie muss her, also ein Pappmodell eines großen Trüffels, der dem Feinschmecker den Weg zum Regal weist. Was macht man wiederum mit einer Schaufensterpuppe, deren Oberweite zu klein für Körbchengröße A ist und selbst zierliche Dessous in Schlabberfalten legt? „Kreativität heißt bei uns, schnelle Lösungen zu finden“, sagt eine 40 Jahre alte Ausbilderin.

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