Co-Working : Mehr als W-Lan und Latte macchiato
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Neue Zielgruppen: „Tatcraft“ in Frankfurt bietet Co-Working für Handwerker und Bastler. Bild: Frank Röth
Schreibtische für Freiberufler und Kreative – das war Co-Working früher. Neuerdings reicht das nicht mehr. Denn auf einmal wollen fast alle in hippen Mietbüros arbeiten: Kleinkind-Eltern, Handwerker, ja sogar eine komplette Bankfiliale.
Lichtdurchflutete Räume mit hohen Decken, Sesseln und Bücherregalen. Lange Tische aus Holz, an denen junge Kreative ihre Laptops aufklappen, arbeiten, sich austauschen. Längst ist dieses Bild nicht mehr nur den Weltmetropolen wie New York oder Paris vorbehalten. Co-Working Spaces, also Büros, in denen Schreibtische flexibel stunden-, tage- oder monatsweise gemietet werden können und die eine Menge Extras wie Leseecken, Cafés, Veranstaltungen oder Workshops zum Austauschen und Vernetzen bieten, haben längst auch in mittelgroßen und kleinen deutschen Städten Einzug gehalten.
„New Work“ heißt das dahinterstehen-de Konzept – also „neue Arbeit“. Der Sozialphilosoph Frithjof Bergmann gilt als Schöpfer dieses Begriffs. Er steht für eine flexiblere Arbeitsgestaltung, die Freiraum für Kreativität und die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit bietet – und die das entsprechende Arbeitsumfeld braucht. Das kommt gut an: Seit 2005 die ersten Co-Working-Büros entstanden, ist ihre Zahl rapide gestiegen. Ende 2018 werden rund 1,7 Millionen Menschen in knapp 19 000 Co-Working Spaces rund um den Globus arbeiten, schätzt das Online-Magazin Deskmag, das regelmäßig Umfragen unter knapp 2000 Anbietern und Nutzern von Co-Working macht. Auch immer mehr Unternehmen setzen auf neue Formen der Arbeitsplatzgestaltung. Kürzlich kündigte die Deutsche Bahn an, ab dem Jahr 2019 in ausgewählten Bahnhöfen Arbeitsplätze für Geschäftsreisende anbieten zu wollen. Außerdem gibt es schon Co-Working-Labore, Werkstätten und kleine Filmstudios, die stunden- oder tageweise gemietet werden können.
Noch ist aber der typische Co-Working-Arbeitsplatz ein Schreibtisch. Im Schnitt sitzen in einem Co-Working Space 80 Mitglieder auf einer Fläche von 800 Quadratmetern, ergab die Auswertung der diesjährigen Deskmag-Umfrage. Zimmerpflanzen, Designermöbel und Highspeed-Internet gehören zur Standardausstattung, nicht selten ist eine Kaffeeflatrate im Mietpreis inbegriffen. „Die Ansprüche der Mitarbeiter an ihre Arbeitsumgebung sind extrem gestiegen“, sagt Dewi Schönbeck, Direktorin bei dem Beratungs- und Architekturunternehmen CSMM. Auf den ersten Blick sei heute oft nicht mehr erkennbar, ob es sich um ein Café, Wohnzimmer oder einen Arbeitsplatz handele. „Die klassische Bürotypologie gibt es so nicht mehr.“
Fast wie eine Kita
Ein ehemaliges Kindercafé im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. Dass hier im Mai 2016 ein Co-Working Space eröffnet hat, lässt sich auf den ersten Blick nicht erahnen. „Coworking Toddler“ sieht zunächst aus wie eine Kindertagesstätte: Spielzeug überall, Mal- und Bastelsachen liegen herum. Doch wenn sich die Eltern morgens von ihren Kindern verabschiedet haben, gelangen sie durch eine versteckte Tür in einen dahinterliegenden Arbeitsbereich. 12 Schreibtische können im „Toddler“ für je 350 Euro im Monat gemietet werden, es gibt eine Kaffeeküche und einen Besprechungsraum. Dort können die Eltern ungestört arbeiten, die 15 Kinder werden von Erziehern betreut. Im Notfall oder in der Eingewöhnungsphase sind die Eltern so schneller erreichbar. „Wir haben eine riesenlange Warteliste“, sagt Gründerin Sandra Runge. „Mit unserem Angebot haben wir einen Nerv getroffen.“ Für das nächste Jahr ist daher ein zweiter Standort in Neukölln geplant. Mittlerweile gibt es auch in vielen anderen Städten Co-Working Spaces mit einer integrierten Kita: In Frankfurt am Main etwa eröffnete der Anbieter „Co Work Play“ Mitte Oktober schon seinen zweiten Standort.