Finanzbranche : Digitalisierung - na und?
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Am Bankschalter: Wird der Bankschalter künftig überhaupt noch gebraucht? Bild: Raiffeisen International
Die Arbeitswelt steht Kopf, aber die Banker blicken gelassen in die Zukunft. Sie sehen für sich auch viele positive Seiten der Digitalisierung.
Eine oft zitierte Studie zur Digitalisierung der Arbeitswelt kann Arbeitnehmer leicht in düstere Stimmung versetzen: Jeder zweite Beschäftigte, schätzten die Ökonomen Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborne von der Universität Oxford am Beispiel der Vereinigten Staaten, arbeite in einem Beruf, der in den kommenden zwei Jahrzehnten automatisiert werden könnte. Und ohne Zweifel bahnen sich mit den wachsenden Möglichkeiten computergestützter Dienstleistungen auch Umbrüche zum Beispiel im Bankgewerbe an.
Trotzdem blicken offenbar die Beschäftigten des deutschen Bankgewerbes mindestens in dieser Hinsicht vergleichsweise zuversichtlich in die Zukunft. Sie sehen in ihrem Arbeitsumfeld zwar Risiken, zugleich aber auch erhebliche Chancen. Das zeigt eine aktuelle Repräsentativerhebung im Auftrag des Arbeitgeberverbands des privaten Bankgewerbes, für die das Sozialforschungsinstitut TNS-Emnid 800 Beschäftigte der Branche detailliert befragt hat. Die Ergebnisse liegen dieser Zeitung vorab vor. Die Umfrage zeigt, dass die Beschäftigten mehrheitlich auf weitere Veränderungen eingestellt sind, auch schon im Laufe der kommenden zwei Jahre. 44 Prozent gehen davon aus, dass die Digitalisierung in dieser Zeit starke Auswirkungen auf ihr Unternehmen oder ihr persönliches Arbeitsumfeld haben wird. Nur 13 Prozent erwarten keine oder allenfalls geringe Auswirkungen.
Die vermuteten Veränderungen betreffen dabei auch die Sicherheit der Arbeitsplätze - allerdings mit ganz unterschiedlichen Erwartungen: Auf der einen Seite befürchten 31 Prozent der Bank-Beschäftigten, dass ihre Arbeitsplätze unsicherer werden. Auf der anderen Seite rechnen aber 26 Prozent damit, dass ihre Arbeitsplätze sogar eher sicherer werden. Gleichzeitig überwiegen im Hinblick auf etliche andere mögliche Veränderungen recht deutlich die positiven Einschätzungen.
Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben werden besser
Beispielsweise hat jeder dritte Beschäftigte die Hoffnung, dass er seine Fähigkeiten künftig im Beruf besser einsetzen kann; dagegen sind nur 11 Prozent skeptisch gestimmt. In ähnlichem Maße überwiegen zuversichtliche Einschätzungen, wenn es um die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, künftige Arbeitszeitregelungen oder Entscheidungsspielräume bei der Arbeit geht. Zugleich erwarten 26 Prozent, dass sich ihre Arbeitsbelastung tendenziell verringern könnte; 20 Prozent sind da eher skeptisch. Die vom Arbeitgeberverband Banken veranlasste Erhebung ist eine der ersten, die das politisch viel diskutierte Thema des digitalen Wandels einmal genauer an den Erwartungen der Beschäftigten einer Branche spiegelt. „Es macht Mut, dass die Beschäftigten in den anstehenden Veränderungen neben Risiken vor allem Chancen sehen“, urteilt Hauptgeschäftsführer Gerd Benrath.
Praktisch zeigt es sich unter anderem darin, dass die Geldhäuser ihr Filialnetz deutlich ausdünnen - im Zeitalter von Online-Banking und Smartphone verlieren der Bankschalter und die Beratung im persönlichen Gespräch an Bedeutung. Nach Zählung der Bundesbank wurden von insgesamt 36.000 Filialen in Deutschland allein im vergangenen Jahr fast 900 geschlossen. Branchenfachleute rechnen damit, dass in den kommenden zehn Jahren gar ein Drittel der Filialen verschwinden wird.
Da ist leicht nachvollziehbar, dass Beschäftigte im Bereich des sogenannten Retailbanking mehr um ihre Arbeitsplätze fürchten als der Durchschnitt. Dort verbinden 39 Prozent mit der Digitalisierung eine abnehmende Arbeitsplatzsicherheit. Interessanterweise erwartet indes zugleich ein überdurchschnittlich hoher Anteil der Retailbanker, dass die Digitalisierung zu einer besseren Beratung und Betreuung der Kunden führt: In dieser Beschäftigtengruppe sind 58 Prozent in dieser Hinsicht zuversichtlich, in den anderen Gruppen sind es 52 Prozent.
Etwas unschlüssig scheinen die Befragten, ob sie sich mit der Digitalisierung eine bessere Führungskultur in den Unternehmen erhoffen dürfen. Hier halten sich positive und skeptische Erwartungen die Waage. Im Übrigen belegt die Befragung, dass junge Beschäftigte den Wandel überdurchschnittlich positiv sehen. Offenkundig wachse eine Generation in den Bankberuf hinein, die mit der Digitalisierung „nicht nur besonders viel anfangen kann, sondern damit auch zuversichtlich und konstruktiv umgeht“, folgert Benrath.