Beruf und Familie : Das Gefasel vom Neuen Mann
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Neue Lasten - und neue Männer? Bild: iStock
In Diskussionen über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf werden Männer vergessen. Sie tragen wachsende Lasten, doch die Erfindung eines neuen Typus hilft nicht weiter.
Das war ja schon mal ganz nützlich: Diese Woche waren beide Kinder krank. Gleichzeitig. Nicht der klassische Rhythmus: Erst ein Infekt, dann der andere, dann werden beide Eltern krank. Das hat schon mal die Koordination erleichtert. Fehltage, Wartezimmerzeiten, Kindertransport auf Fahrrädern bei minus fünf Grad und laufenden Nasen - das alles ließ sich auf ein Minimum reduzieren. Bald schon hatte uns der Alltag wieder, der normale Wahnsinn zwischen Kita und Konferenz, Abholen und Anamnese, Bettlektüre und Blattmachen.
So oder ähnlich sieht das Leben vieler Eltern mit kleinen Kindern heute aus: beide berufstätig, die Stellen sind weit weg von ihrer Heimat, Großeltern können deshalb nur in besonderen Fällen aushelfen. Die Elternzeit wird so aufgeteilt, dass auch der Vater mehrere Monate Chefwickler und -milchkocher ist. Im Anschluss daran sind die beruflichen Herausforderungen enorm. Die Familienarbeit teilt sich vielleicht nicht exakt zwischen beiden Elternteilen auf, lastet aber in jedem Fall auf vier Schultern. Das heißt: Einkaufen häufiger mal vor der Arbeit, mit ein oder zwei Kindern im Schlepptau. Dabei tickt immer die Uhr. Der Kindergarten hat starre Bringzeiten, die Kita ebenso, und die Abläufe bei der Arbeit sind natürlich auch eng getaktet. Schon ein platter Reifen oder ein bockiges Kind kann da ein ganzes Organisationsgefüge zum Einstürzen bringen.
Wer als junger Mann ernst genommen hat, was die Frauenemanzipation damals wollte, war darauf zumindest gedanklich gut vorbereitet: Karrieren richten sich in unserer Generation nicht mehr nur nach den männlichen Bedürfnissen. Pflichten teilen sich innerhalb einer Beziehung gleichmäßiger auf. Die familienpolitischen Reformen von Ministerin von der Leyen waren nicht der Auslöser dieses Trends, sie haben ihn aber verstärkt und unterstützt. Wie wohl jede Generation zuvor zelebriert die Altersklasse „Ü 30“ ihre Eigenheiten auf besondere Weise: Zeitschriften wie „Nido“ suggerieren, der Typus des Neuen Mannes sei entstanden. Berliner Hipster mit Rauschebart und Baby in der Tragetasche werden dabei romantisch zu Helden des Alltags verklärt.
Im öffentlichen Diskurs nur eine Fußnote
Doch das ist überzogen: Väter, die sich familiär eingebracht haben, gab es auch in den Vorgänger-Generationen zuhauf. Das Etikett „Neuer Mann“ verhöhnt sie. Dadurch, dass heute mehr Frauen voll im Berufsleben stehen als früher, müssen sich allerdings tatsächlich mehr Väter Gedanken darüber machen, wie sie Beruf und Familie in die Balance bringen. Trotzdem kommen sie im öffentlichen Diskurs über die Vereinbarkeit allenfalls in Fußnoten vor. Deshalb lohnt sich ein Blick darauf, wie sie ihren Alltag meistern.
Hört man sich unter Vätern dieses Typs um, wird deutlich, dass es für sie selbstverständlich ist, Erziehungs- und Betreuungsaufgaben mit den Müttern zu teilen. Während eines Diskussionsabends in Frankfurt hat eine schwedische Schriftstellerin die Frage eines Moderators, wer denn angesichts ihrer Abwesenheit gerade auf die Kinder aufpasse, entwaffnend nüchtern gekontert: „Mein Mann ist zu Hause.“ Es geht nicht um Kümmern oder Opfer, sondern um eine völlig natürliche Arbeitsteilung. In skandinavischen Ländern ist man sicherlich einige Jahre weiter, diese Normalität zu leben. Doch gleichzeitig verhehlt keiner dieser Väter, wie herausfordernd die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf für ihn ist.
Was Frauen mit Kindern seit Jahrzehnten erleben, wird auch für sie zur Realität: Die knappe Zeit zwingt zu mehr Effizienz im Beruf. Karrierefördernde Kaffeetreffs oder lockere Bierrunden nach der Arbeit passen nicht mehr in den Tagesablauf. Während sich andere für höhere Aufgaben ins Gespräch bringen, sitzt der engagierte Vater an der Bettkante und denkt sich neue Strophen für „Lalelu“ aus.
Das traditionelle Modell hat weniger Reibungsverluste
Und wenn sich doch ein Karrieresprung anbietet, gerät das sorgfältig austarierte Familienmodell ins Wanken. So beschreibt jedenfalls ein Freund aus dem Finanzsektor die ungünstige Anreizstruktur. Danach kann ein Vater, der das traditionelle Rollenmodell lebt, etwa durch einen Wechsel ins Ausland sein Gehalt oft verdoppeln. Der Spielraum des berufstätigen Vaters ist dagegen mit seinen familiären Aufgaben begrenzt, und seine Frau kann womöglich nicht mehr mit ihrem Gehalt das Familieneinkommen steigern. Der Traditionalist ist also immer der Gewinner in einem solchen Vergleich.