Auszeit im Kloster : Stille gegen den Stress
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Das Leben im Kloster scheint vielen Berufstätigen zum Stressabbau attraktiv – jedenfalls für begrenzte Zeit. Bild: Maria Irl
Gebete, Mahlzeiten, Pausen, mehr nicht: Der Alltag im Orden fasziniert überarbeitete Büromenschen. Zu Recht? Zwei ruhige Tage im Kloster.
Bitte bringen Sie bequeme Kleidung und Socken mit. Wir tanzen zur Meditation.“ Eine freundliche Ansage der Ordensfrau. Um Himmels Willen, lass diesen Kelch an mir vorübergehen! Das klingt wollsockig-abgedreht und nicht nach ernsthafter Schweigemeditation in einem traditionsreichen bayrischen Kloster. Hoffentlich zerschlägt sich die Befürchtung.
Geradezu erschlagen wird man von der Schönheit des Ortes. Das Kloster liegt traumhaft in Bernried am Westufer des Starnberger Sees. Ein postkartenschöner Ort mit Bauernhäusern wie gemalt, das Auge wird trunken vor Narzissenpracht, eine Herzfilmkulisse vom Feinsten. Ganz zu schweigen vom Blick auf Glitzersee und Alpen, die sich so majestätisch-entrückt erheben, dass der Mensch von ganz allein klein wird. In dieser Kulisse fällt es leicht zu ahnen, dass es etwas Größeres gibt, das die Welt zusammenhält.
Abschalten bei stillen Stunden und Tagen im Kloster, das ist weiß Gott nichts Neues. Aber es wirkt unvermindert anziehend auf Gestresste jeglichen Glaubens, die durch ihren überfrachteten Alltag taumeln. Jeder Fünfte macht nicht einmal Mittagspause. Die mit Nachwuchsmangel und Erhaltungskosten kämpfenden Klöster haben reagiert: Aufgeschlossene Ordensleute, an denen mitunter selbst Manager verlorengegangen sind, bieten ausgefeilte Antistressprogramme an, erheben dafür satte Honorare und erhalten so den Betrieb aufrecht. In Bernried sind die Preise bewusst moderat gehalten, damit auch diejenigen kommen können, die darauf richtig sparen müssen.
Die Schwestern wissen um die Macht des Marketings
Bei aller klösterlichen Bescheidenheit blitzt so etwas wie Stolz auf, als Schwester Beate Grupp klarstellt: „Wir Missionsbenediktinerinnen in Bernried bieten diese Bildungsarbeit seit mehr als 40 Jahren an.“ Die Sozialpädagogin schult Gruppenleiter und schwärmte schon zu biblischen Wanderungen in alle Himmelsrichtungen aus, als noch niemand von Achtsamkeit sprach und Yogakurse etwas für weltentrückte Sinnsucher waren. Doch die Schwestern leben nicht hinter dem Mond und wissen um die Macht des Marketings. So steht auf dem Faltblatt zum Oasentag „Time-out. Eine Auszeit zum Atemholen“, und in der vorösterlichen Zeit wird zum „Hektik-Fasten“ eingeladen. Das pralle Jahresprogramm ist online abrufbar.
Die spirituellen Wanderungen mag die 71 Jahre alte Schwäbin besonders gern. Wandern sei dabei zweitrangig. „Aber es hilft beim Denken, wenn wir an einem Thema arbeiten. Wir geben den Rahmen vor. Was passiert, haben wir nicht in der Hand.“ Es gibt Bibelimpulse und ein Picknick auf der Wiese oder im Wald, danach ein Mittagsschläfchen. Im Sommer springen manche Kurzzeitpilger in den See. Schwester Beate spricht aus, warum Klöster auch jene anziehen, die um die Amtskirche lieber einen Bogen schlagen. „Die offizielle Kirche ist verkopft und männlich. Das Mystische hat man nicht im Griff, da lässt man lieber die Finger von. Wir sind offener.“ So offen, dass die sportliche Münchner IT-Frau vom Einzeltisch regelmäßig kommt, obgleich sie aus der Kirche ausgetreten ist.
Später folgt ein Gespräch mit Schwester Eligia Mayer im Besprechungsraum, wo bayrisches Eichenbüfett und afrikanische Ebenholzskulptur erstaunlich gut miteinander harmonieren. Schwester Eligia fällt auf, dass sogar jüngere Menschen stark unter Druck stehen. Das sei ein Zeichen unserer Zeit, „bis hin zu Grenzfällen im Burnout, die sich verloren haben und wiederfinden müssen“. Oberin Schwester Hedwig beobachtet das ebenso: „Bei großen Anforderungen steigt die innere Unruhe, die kann man nicht am Feierabend ablegen. Es sind mehr Menschen geworden, die nach Sinn suchen, das Arbeitstempo nicht mithalten können oder es auch nicht wollen.“