Serie „Anders arbeiten“ : Mein Tag in der gläsernen Zelle
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Und das soll Arbeit sein? Mitglieder der Wework-Community am Potsdamer Platz. Bild: Andreas Pein
Früher bastelten junge Gründer allein in ihrer Garage, jetzt mieten sie sich in Coworking-Büros ein. Da muss doch was dran sein. Ein Selbstversuch.
Der normale Arbeitnehmer weiß gar nicht, wie es da draußen zugeht. Jeden Morgen fährt er in die Tiefgarage seines Arbeitgebers und schlendert die langen Gänge entlang in seine Einzelzelle, vorbei an vielen anderen Einzelzellen. Dort fährt er seinen Computer hoch, greift zum Hörer, der selbstverständlich an einem Kabel baumelt und wühlt in Papierbergen auf seinem Schreibtisch.
Das mag einer Bürokultur der achtziger Jahre entsprechen, ist aber noch in vielen Unternehmen Realität. So wird es womöglich aber nicht bleiben, jedenfalls behaupten das viele. Viel mobiler, viel flexibler wird gearbeitet, in wechselnden Teams an wechselnden Projekten, in Zürich, New York und anderswo. Für diese Zeit kann man sich gar nicht früh genug wappnen, deshalb suche ich nach diesen alternativen Arbeitsformen. „Coworking“ ist das neue heiße Ding.
Anbieter gibt es viele, ich entscheide mich für „Wework“, 260 Standorte in knapp 60 Städten, ein milliardenschweres Start-up, das sein Geld damit macht, anderen Start-ups eine Bleibe zu bieten: natürlich Downtown, wo das Leben pulsiert. Das ist nicht ganz günstig: 320 Euro im Monat zahlt man als Mitglied dafür, dass man seinen eigenen Laptop in der Lounge aufstellen darf, 350 Euro für einen eigenen Schreibtisch, mindestens 530 Euro für ein eigenes Büro. Das muss man sich erst einmal leisten können als Selbständiger oder kleines Start-up; die vielen prekär Beschäftigten der digitalen Arbeitswelt werde ich hier wohl nicht treffen. Viele große Unternehmen mieten sich inzwischen mit kleinen Einheiten dort ein.
Frei und doch nicht allein
Der Vorteil des Investments: Man ist frei und doch nicht allein, jedenfalls nicht so allein wie im Home-Office neben dem ungespülten Geschirr. Das Netzwerk steht hier im Vordergund, genau das ist es, was ich suche. Deshalb fahre in nach Berlin, in den achten Stock des Sony Center am Potsdamer Platz, um einen Tag als Coworker Teil einer hippen Community zu sein. Das geht natürlich nicht ohne Kulturschock einher. Glücklicherweise tritt der sofort ein, so komme ich schnell aus meiner „Komfortzone“, was ja heutzutage viel Gutes verspricht, auch wenn es sich erst einmal schlecht anfühlt. Ich trete aus dem Fahrstuhl heraus und wähne mich direkt bei Starbucks, so viel Kaffee und herumlungernde Menschen zu den Stoßzeiten gibt es nur dort. Oder eben bei Wework.
Ich steuere den Tresen an und bitte um weitere Instruktionen. Dabei begehe ich sofort den Kardinalfehler der Pre-Millennials-Generation, der ich nun einmal angehöre: Ich nutze instinktiv das distanzierte „Sie“. Fehler werden schnell verziehen. Die junge Frau lächelt ungerührt und freut sich: „Ach, du bist Corinna.“
Ich bleibe nicht lange allein, denn nun kommt Elisabeth auf mich zu, die „Community Managerin“ des Standortes, eine energiegeladene, redegewandte Person, gleichermaßen des Deutschen und des Englischen mächtig und selbst der Start-up-Szene aus London entsprungen. Sie weiß genau, was all jene gebrauchen können, die sich hier in Sichtweite des Reichstags und der Siegessäule niederlassen. Denn der Spirit hier sei ein ganz besonderer, so sagt sie, die Menschen strebten leidenschaftlich „nach etwas Größerem als sie selbst“. Gemeinsam wolle man etwas Bedeutungsvolles schaffen, „meaningful“ muss es sein. In diesem Augenblick erkenne ich, dass ich genau das auch schon immer wollte. Der einzige Unterschied: Ich wollte damals erste weibliche Generalsekretärin der UN werden, die Romantiker von heute gründen mit erstaunlich simplen Ideen milliardenschwere Start-ups.
Niemand muss, jeder kann
Dabei ist Wework gerne behilflich, die Community, die es zu managen gilt, ist groß. Jeden Tag bietet man seinen Mitgliedern eine Netzwerk-Veranstaltung der besonderen Art, angefangen mit dem „Thank good it’s Monday“-Frühstück zum Start der Woche. Mittwochs kommt eine Friseurin vorbei. Abends gibt es zweieinhalb Stunden Weiterbildung, mal zu Steuerrecht, mal zu Cybercrime. Niemand muss, jeder kann.
Auch hier laufe ich lange Gänge entlang, doch es ist so anders als zu Hause im Büro. Die Einrichtung ist funktional-spielerisch, in jeder Zelle stehen mehrere Schreibtische, jeweils in einem etwas anderen Stil. Das weiß ich deshalb so genau, weil die Glaswände jedes Büro und die darin Anwesenden vollständig den neugierigen Blicken preisgeben. Wer alleine sein möchte, drückt sich in Telefonzellen und kann hemmungslos telefonieren. Auch dort allerdings: Glastüren.