Change Management : Alles nur Theater?
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Bild: F.A.Z. - Cyprian Koscielniak
Kündigungen, Kompetenzverlust, Umzug: Veränderungen verängstigen Mitarbeiter. Oft greifen Manager deshalb auf die Dienste von Schauspielern zurück, die der Belegschaft die Angst vor dem Neuen nehmen sollen.
Es ist P-Tag 2007, die Energie BadenWürttemberg (EnBW) AG hat eingeladen, und 350 Mitarbeiter sind gefolgt, die vor allem eines gemein haben: nicht die allerbeste Laune. Ja, mehr noch, die Angestellten der Personalsparte des Unternehmens, sogenannte „Personaler“, die der Ehrentag mit dem „P“ zu würdigen weiß, fürchten um ihre Jobs, die sich im Zuge neuer Aufgabenstellungen verändern werden. Wie es weitergeht, will das Unternehmen seinen Mitarbeitern auf der Tagung im Theaterhaus in Stuttgart verraten.
Daher kaut so mancher am Montagmorgen um acht im Foyer der schwäbischen Spielstätte sichtlich lustlos auf seiner Brezel herum. Jedoch nicht lange. Ein Ruf geht um: „Sie sind heute die Hauptperson!“ Erstaunt schaut der jeweils so titulierte Mitarbeiter in die Gesichter von drei fröhlichen Gestalten, kurz darauf steckt er mit dem Kopf in einem goldenen, barock anmutenden Rahmen und hält dann ein Polaroid-Foto in Händen, auf dem zunächst alles schwarz aussieht, bis sein unwillkürlich lachendes Gesicht erkennbar wird. Eine Wandlung, die auf Wunsch der Organisatoren für diese Tagung symbolisch sein könnte.
Sagen, was die Mitarbeiter nicht sagen können
Um die Belegschaft zu einer neuen, positiven Geisteshaltung gegenüber den geplanten Veränderungen zu bewegen, haben die Personalverantwortlichen der EnBW frischen Wind nicht gescheut. Sie ließen ihn mit der „Steifen Brise“ aus Hamburg ins Ländle kommen, eine Improvisationstheatergruppe, die sich darauf spezialisiert hat, aktuelle oder gar brisante Themen in Unternehmen spontan auf die Bühne zu bringen. „Wir dürfen die Dinge aussprechen, die die Mitarbeiter nicht sagen können“, bringt es Torsten Voller, Geschäftsführer der „Steifen Brise“, auf den Punkt. Im spontanen Spiel werde oft genau der Kern des Problems getroffen. Das Publikum reagiere ebenso unzensiert wie die Spieler. Praktiziert hat er diesen Ansatz bereits bei Beiersdorf, Jägermeister und der Deutschen Bank. Für den gelernten Bankkaufmann und Pädagogen war das Theaterspiel bis vor vier Jahren lediglich ein Hobby. Seit aber immer mehr Unternehmen die Vorzüge des Improvisationstheaters in der Personalentwicklung entdeckten, leitet er die „Steife Brise“ gemeinsam mit seinem Partner Thorsten Brand hauptberuflich.
Für die Künstler, die sonst gewohnt sind, um ihre Gagen hart zu kämpfen, sind solche Engagements zumeist äußerst lukrativ: Für einen Auftrag springt schon mal ein fünfstelliges Honorar heraus. Entsprechend groß und unübersichtlich ist der Anbietermarkt in Deutschland, zumal nicht einmal die Begriffe – Business-Theater, Unternehmenstheater – einheitlich angewendet werden und sich hinter ihnen auch unterschiedliche Methoden und Ansätze verbergen können.
Wurzeln in der Antike
Im Grunde hat es diese Form des Schauspiels schon bei den alten Griechen gegeben, für die das Theater stets ein Teil des politischen Lebens und des öffentlichen Diskurses war. Im engeren Sinne liegt der Ursprung des „Unternehmenstheaters“ aber in Frankreich, wo Aufführungen in Wirtschaftsbetrieben eine längere Tradition haben und sich inzwischen fast jedes größere Unternehmen dieser Form des Schauspiels bedient. In Deutschland begannen Unternehmensberater Ende der achtziger Jahre, das Theater als Instrument zu entdecken, um Mitarbeitern Inhalte emotional zu vermitteln. 1997 fand zum ersten Mal ein internationales Festival „Business goes Theater“ in Hof statt.