Bildungspolitik in NRW : Zwischen Aufstiegsanspruch und Unterrichtsausfall
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Einen umfassenden Bericht kann Ministerin Gebauer erst nach Ablauf des kommenden Schuljahrs vorlegen. Dann aber will sie alle drei Monate eine Ausfallübersicht auf der Internetseite ihres Ministeriums veröffentlichen. Gebauer hofft, dass eine solide Datenbasis dazu führt, „dass wir endlich auf der Grundlage von Fakten über Unterrichtsausfall reden können“. Denn bisher ließ das Land nur Stichproben nehmen. Nach ihrer Amtsübernahme im Jahr 2010 hatte Schulministerin Löhrmann ihren Apparat zunächst angewiesen, den Ausfall einstweilen nicht mehr zu erfassen. Die von der früheren schwarz-gelben Regierung eingeführte Methode sei wenig aussagekräftig und fragwürdig, ebenso wie die seinerzeit ermittelte Fehlerquote von 2,4 Prozent. „Die Wahrnehmung von Eltern, Lehrkräften und Schülern wich jedoch vielfach von den Ergebnissen des Ministeriums ab“, sagte Löhrmann und kündigte an, eine valide Methode entwickeln zu lassen. Zu einer weiteren Erhebung kam es vor der Landtagswahl aber nicht mehr.
Es ist nur ein Zeichen
Obwohl die neue Schulministerin nun eine möglichst differenzierte Datenerhebung verspricht, regt sich von außen erstaunlich heftige Kritik. „Vom Wiegen allein wird die Sau nicht fett“, kommentiert der Verband Bildung und Erziehung (VBE) bissig. „Ohne ausreichend Personal kommt es zum Unterrichtsausfall – ganz einfach.“ Der Verband „Lehrer NRW“ moniert, dass mit der Statistik keine Ursachenbekämpfung stattfinde. Notwendig seien vielmehr Instrumente, die verhindern, dass Lehrer krank werden. Die Grünen wiederum warnen vor einer Pranger-Wirkung: Schulen liefen Gefahr, „in einer unverschuldeten personellen Notsituation bloßgestellt zu werden“. Schulministerin Gebauer versichert, das werde nicht stattfinden. Zwar führe eine bessere Statistik nicht von allein zu weniger Ausfall, aber nur mit validen Daten könne man die Ursachen besser bekämpfen.
Auch einen Beschluss zum schwarz-gelben Zentralanliegen fasste das Kabinett am Dienstag: In schwierigen Stadtvierteln mit großen sozialen Herausforderungen sollen vom Sommer kommenden Jahres an 60 sogenannte Talentschulen aus 45 allgemeinbildenden Schulen und 15 Berufsschulen entstehen. Diese Talentschulen bekommen 20 Prozent mehr Lehrerstellen und eine bessere Sachausstattung. Nach den Worten von Gebauer soll „ein signifikanter Teil“ der bevorzugt geförderten Schulen im Ruhrgebiet entstehen. Denn dort gibt es besonders viele soziale Brennpunkte. Und dort sind viele Kinder und Jugendliche von der „weltbesten Bildung“, die die FDP im Wahlkampf versprochen hatte, besonders weit entfernt.
Es sei ihr ein Herzensanliegen, dass die Landesregierung „rasch ein Zeichen setzt, um soziale Nachteile im Bildungsbereich zu überwinden und Aufstiegschancen für alle zu ermöglichen“, sagt Ministerin Gebauer. Mehr als ein erstes Zeichen ist es tatsächlich nicht. Denn in einem sogenannten Schulversuch soll nun zunächst einmal erprobt werden, ob die Leistungen der Schüler durch besondere Unterrichtskonzepte und das Geld für mehr Lehrer und eine bessere Ausstattung überhaupt nachweisbar gesteigert werden können.