Bayerische Hochschulreform : Wissenschaft in der Lieferkette
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Eingangshalle der Ludwig-Maximilians-Universität in München Bild: Picture-Alliance
Bayern will seine Hochschulen in Zulieferindustrien verwandeln. Was Bildung ist und was sie bewirkt, hat die Regierung vergessen. Gastbeitrag eines Physik-Professors.
Die Bayerische Staatsregierung hat ein Eckpunktepapier vorgelegt, das eine grundsätzliche Neuausrichtung des bayerischen Hochschulrechts in Aussicht stellt. Mittelfristig wird die Forschungslandschaft in Bayern kaum wiederzuerkennen sein, wenn das Avisierte erst real geworden ist. Ein entsprechendes Gesetz soll dem Vernehmen nach noch im Sommer verabschiedet werden. Der Reformplan sieht nicht nur eine Machtverschiebung zugunsten der Präsidien vor, er novelliert auch den wissenschaftlichen Auftrag der Hochschulen. Inspiriert von der Technischen Universität München (TUM), The Entrepreneurial University, wird die erfolgreiche Universität als Unternehmen definiert. Ihr Handeln ist ergebnisorientiert. Zur Aufgabe „Forschung und Lehre“ tritt der „Transfer“ hinzu.
Im Rahmen der Hightech Agenda Bayern hat sich die Staatsregierung die Modernisierung ihrer Hochschulen auf die Fahnen geschrieben. „Modernisierung“ im Hightech-Kontext bedeutet, die Universität verstärkt zum Zulieferer für die Wirtschaft zu machen. Der Nutzen für „Staat, Wirtschaft und Gesellschaft“ soll verbessert werden – genau in dieser Reihenfolge. Die Logik dahinter könnte simpler kaum sein: Deutschland, Autoland, sichere seinen Wohlstand durch Wirtschaft und Technologie. Das Brummen der Wirtschaft sei nicht alles, doch ohne dieses Brummen gehe nichts. Nach dieser Doktrin wird die Rolle der Universitäten neu bestimmt.
Das Vorhaben ist durchsichtig, doch ist es auch vernünftig? Ich würde meinen, das ist es sicher nicht. Die größte Gefahr liegt im Perspektivenwechsel hin zum Unternehmerischen. Wer die Universität zuerst als Unternehmen sieht, verkennt, wofür sie wirklich steht. Der „soziale, technologische, ökonomische, ökologische und kreative Mehrwert für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft“, der im Eckpunktepapier den Nutzen der Universitäten zusammenfasst, ist nicht der tiefste Grund, warum sich Universitäten und ihre akademischen Verwandten gebildet und überdauert haben. Genauso wie die Künste, so sind auch Universitäten Ausdruck einer menschlichen Disposition. Diese besteht darin, Ideen zu formulieren und im Austausch mit anderen zu erproben.
Momente schaffen, in denen etwas Neues entsteht
Dort, wo Universitäten funktionieren, ermöglichen sie den freien wissenschaftlichen Gedankenaustausch, der ähnlich einem Konzertbesuch Momente in Raum und Zeit schaffen kann, in denen etwas Neues geschieht, das die Teilnehmer zuweilen ein Stück weit verwandelt.
Lehre an der Universität, wo sie gelingt, macht diese Dimension erlebbar. Hier findet „Bildung“ statt, das heißt ein Geschehen, das den Lernenden über sich hinausträgt. Bildung ist grundverschieden von der Vermittlung bloßer Kompetenzen. Letztere ergänzen das Spektrum einzelner, praktischer Fähigkeiten. Bildung erweitert Horizonte und führt zusammen. Sie geht den ganzen Menschen an.