Auguste von Bayern : Die Prinzessin und die Rabenvögel
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Zuhause mit Gretel: Auguste von Bayern päppelt kranke Tiere wieder auf. Bild: Andreas Müller
Ein glamouröses Leben im Schloss und in der Klatschpresse? Prinzessin Auguste von Bayern hatte anderes im Sinn. Sie ist eine renommierte Vogelforscherin.
Die Lehrer waren wohlwollend, aber auch ein bisschen unwissend. Großzügig hatten sie der Schülerin Auguste eine praktische Facharbeit über Gänse durchgewunken. Die Siebzehnjährige wollte über die Aufzucht von fünf Kanadagänsen forschen und darüber eine Hausarbeit schreiben. Was die Lehrer am Gymnasium in St. Ottilien nahe dem Ammersee nicht bedacht hatten: Nach dem Schlüpfen sind Gänse auf die erste Kontaktperson konditioniert und akzeptieren nicht, wenn die zweibeinige Gänsemutter sich entfernt. Kurzerhand nahm Auguste ihre fünf Gänse mit in den Unterricht. Irgendwann wurde das auch den tolerantesten Pädagogen zu viel. „Den Sommer musste ich dann auf dem Schulhof verbringen und hier meine Aufgaben erledigen“, lacht die junge Frau, die ihrer Leidenschaft für Vögel aller Art treu geblieben ist.
Aus der ältesten Tochter von Luitpold Prinz von Bayern und Prinzessin Beatrix ist eine international anerkannte Wissenschaftlerin geworden, die in Oxford über die Intelligenz von Rabenvögeln forscht. Auch wenn sie sich mit dem Namen Prinzessin Auguste von Bayern schmücken darf, auch wenn sie in einem respektablen Schloss lebt - ihr Lebensziel war es nie, in Designerkleidern Empfänge zu schmücken und die Fotos anschließend in der Klatschpresse zu bewundern.
Zwischen Oxford und Leutstetten
Die zierliche Frau pendelt zwischen ihrer Forschungsarbeit in der englischen Universitätsstadt und Schloss Leutstetten nahe dem Starnberger See, wo sie gemeinsam mit ihrem Mann Prinz Ferdinand zur Lippe „das Haus hütet“. Für das Max-Planck-Institut für Ornithologie im oberbayrischen Seewiesen betreut sie zudem Doktorandinnen und feilt auch in ihrer Heimat an ihrer wissenschaftlichen Karriere.
Kerzengrade sitzt sie auf dem Sofa im Leutstettener Salon und greift zu Stift und Papier. Schwungvoll skizziert sie Versuchsanordnungen, mit denen das Team in Oxford experimentiert, um die Intelligenz der Rabenvögel nachzuweisen: Raben, Dohlen und Krähen benutzen Werkzeuge, um an schwer zugängliches Futter zu gelangen. Begeistert verliert sich die promovierte Biologin in Details über verborgenes Futter in Plastikgefäßen und die pfiffigen Strategien der Vögel. Etwa, wie neukaledonische Krähen sich Stöckchen fabrizieren, um an begehrte Bockkäferlarven zu gelangen.
Ausnahmsweise auch ins Schlafzimmer
Obgleich die 33 Jahre alte Prinzessin freundlich-kontrolliert und zurückhaltend erscheint, gerät sie ins Schwärmen, wenn sie die Gelehrigkeit der Vögel schildert. Aber warum nur über ihr Fachgebiet, die vergleichende Kognitionsforschung, theoretisieren? Kurzerhand holt sie „Gretel“ aus der Voliere. Unfreiwillig ist Prinzessin Auguste zur Rabenmutter geworden. Immer wieder bringen ihr Menschen erkrankte Tiere. So ist sie auch an Gretel gekommen. Gretel ist eigentlich ein Männchen, eine junge Saatkrähe, die in der Mauser ist und ein wenig zerrupft aussieht. Für einen Laien wirkt es überaus entspannt, wie der schwarze Vogel mit dem kühn geschwungenen Schnabel auf der Schulter der Prinzessin sitzt und sich mit wachen Augen im kleinen Saal des Schlosses umschaut.
Irgendwann wird Gretel das Kameraklicken zu viel, und sie erleichtert sich aufs Parkett. Auch die Strickjacke ihrer Besitzerin hat etwas abbekommen. „Das mache ich später weg“, erklärt die Tierfreundin ungerührt. „Mein Mann muss da auch einiges aushalten“, lächelt sie und berichtet von kranken Schützlingen, die mitunter im Schlafzimmer des Paares nächtigen dürfen. „Das ist aber die Ausnahme!“ Wie aufs Stichwort ruft der Pfau aus dem Garten, dort bleibt er auch. Den Dohlen stehen Nistkästen hoch oben im verwunschenen Speicher des Schlosses zur Verfügung. Zur Zeit kommen die Vögel aber nur auf Stippvisite, erst im Februar kehren sie an ihre Brutplätze zurück, die ihnen Prinzessin Auguste gezimmert hat.