Hochschulreife auf Prüfstand : Studierende wünschen sich mehr Vorbereitung
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Studierende wünschen sich, von der Schule besser auf das Studium vorbereitet zu werden. Bild: Bäuml, Lucas
Hochschulen beklagen große Wissenslücken bei Abiturienten. Wir haben Studierende gefragt, wie sie die Vorbereitung auf das Studium finden. Die Meinungen gehen auseinander.
Das Abitur ist in Deutschland in aller Regel die Voraussetzung für ein Studium. Laut dem Präsidenten der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Peter-Andre Alt würden vielen Abiturienten allerdings wichtige Grundlagen fehlen, um gut vorbereitet in die Uni-Zeit zu starten. Vor allem in Studiengängen, in denen Mathematik die Grundlage sei, fehlten häufig Kenntnisse. Somit seien vor allem die Studiengänge im Bereich der Ingenieurs- und Naturwissenschaften, aber auch Volks- und Betriebswirtschaftslehre voll von überforderten Studienanfängern.
Die Konrad-Adenauer-Stiftung geht sogar noch einen Schritt weiter: Sie meint, dass drei von vier Abiturienten fürs Studium ungeeignet sind. Es gebe jedoch große Unterschiede darin, wie schnell sich Studienanfänger an der Universität eingewöhnen. Besonders schnell würden sich demzufolge Studierende einleben, die eine solide Schulausbildung absolviert haben, mit einem gesunden Selbstbewusstsein aufgewachsen sind und ihren Studiengang im Hinblick auf ihre Stärken und Schwächen ausgesucht haben. Jedoch gebe es auch einige Studierende, die nur wenig Neigungen zur Wissenschaft hätten und sich an der Universität dementsprechend schnell fehl am Platz fühlten.
Doch was sagen die Studierenden eigentlich selbst zu dem Vorwurf der schlechten Vorbereitung? FAZ.NET hat mit einigen von ihnen gesprochen – und lässt sie zu Wort kommen:
Sarah Becher studiert Betriebswirtschaftslehre an der Universität zu Köln: „Ich hatte in meinem Studium keine Wissenslücken, weil der mathematische Teil nochmal sehr gut wiederholt wurde und alle auf den gleichen Stand gebracht wurden“, sagt sie. Aus Sorge, zu wenige Kenntnisse in Mathematik zu haben, hat sie einen Vorkurs mitgemacht. Der hätte ihr aber nicht viel gebracht und sei viel schwieriger als das Mathe-Modul selbst gewesen.
Vera Evers studiert Sports Engineering an der TU Chemnitz. Sie hatte kein Problem mit den Mathe-Vorkenntnissen. Jedoch sei dafür der Mathe-Leistungskurs verantwortlich gewesen: „Mit dem Mathe-Grundkurs hätte mir einiges an Grundwissen gefehlt.“
Milena Zampich studiert Stadt- und Regionalplanung an der Universität Kassel: „Ich hätte in der Schule gerne mehr fachübergreifendes Wissen und Allgemeinwissen gelernt.“ Ihr fehlte in den ersten Semestern Wissen im Bereich Kunstgeschichte und Politik, weil das in der Schule nicht behandelt wurde.
Anne Gritto studiert Statistik und Informatik an der Ludwig-Maximilian-Universität in München: „Das Wissen aus dem Abitur hat mir nicht viel gebracht, da in der Uni die Mathefächer viel schwieriger sind. Ohne meine Vorkenntnisse aus der Schule würde ich jedoch garnichts verstehen.“ Sie hat das Gefühl, dass ihre Kommilitonen teilweise mehr Vorwissen aus der Schule mitnehmen konnten.
Ellen Diener studiert Physiotherapie an der Hochschule Furtwangen. Sie hätte sich in der Schule mehr Biologie gewünscht. Doch auch in Sport hat ihr einiges an Vorwissen gefehlt, da ihre Schule keinen Sport-Leistungskurs anbot. „Im Sport-Grundkurs hatte ich leider sehr wenig Theorie und die hat mir im Studium gefehlt. Jedoch wurde an meiner Uni mit den Grundlagen angefangen und ich konnte gut folgen.“
Jamila Groun studiert den Studiengang Online-Redakteur an der TH Köln. „Ich habe mir etwas ausgesucht, wo ich wusste, dass ich kein Mathe oder Rechnungswesen benötige.“ In ihrem Studium sind Deutschkenntnisse wichtiger und dort waren auch Lücken zu finden: „Die Dozenten bemerkten, dass bei einigen Studierenden große Wissenslücken im Bereich Rechtschreibung und Grammatik vorhanden sind.“
Lea Davidis studiert Rechtswissenschaften an der Philipps-Universität Marburg. Sie ist sehr froh über ihr großes Latinum. Sie höre oft, dass Latein für ein Jurastudium wichtig sei, aber man brauche es nicht unbedingt. „Trotzdem helfen mir die Schulkenntnisse, weil es immer lateinische Beziehungen gibt. Mein Latinum ist beim Verständnis sehr nützlich und man kann sich die Begriffe dadurch leichter merken.“
Kein Zusammenhang zwischen Schule und Uni
Insgesamt bestätigen die Studierenden also das Urteil der Hochschulen. Auch selbst finden sie, dass Wissenslücken vorhanden sind. Diese sind jedoch bei jedem Studiengang unterschiedlich ausgeprägt. Einige Studierende bemerkten, dass es zwischen ihren Schulfächern und den Fächern in ihrem Studiengang kaum Zusammenhänge gibt. Somit starteten alle Abiturienten ohne Vorwissen und konnten gut folgen. Trotzdem fühlen sie sich insgesamt schlecht auf die Universität vorbereitet. Einige Studierende wünschten sich zudem von ihren Schulen die Selbstständigkeit und das selbstorganisierte Lernen früher zu fördern.