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Synthetische Nahrungsmittel : Italien verbietet Laborfleisch

Im Labor gezüchtet: künstliches Fleisch in einer Petrischale Bild: dpa

Künstliches Fleisch soll dem Klima helfen und Tiere schützen. Die italienische Regierung will davon nichts wissen – und hat nun die Herstellung im eigenen Land verboten.

          3 Min.

          Die Italiener haben ein inniges Verhältnis zu ihrer Landwirtschaft, die bekanntlich viele gute Nahrungsmittel hervorbringt. Auch die Nutztiere gehören zu dieser allerdings komplexen Beziehung. In der Alpenprovinz Belluno beispielsweise können die Bürger bei einer Kooperative eine Kuh adoptieren, von der sie dann Käse und Butter erhalten. Auf der anderen Seite will man – wie anderswo auch – über die konkreten Etappen der Nahrungskette lieber nicht zu viel wissen, etwa über die Vorgänge im Schlachthof oder bei der Aufzucht von Kälbern.

          Christian Schubert
          Wirtschaftskorrespondent für Italien und Griechenland.

          Wie auch immer die Liaison zwischen Mensch und Tier in Italien beschaffen ist, die Regierung in Rom hat nun ein starkes Zeichen für den Erhalt ihrer Landwirtschaft und der Tierzucht gesetzt: Sie verbietet die Produktion von Laborfleisch. Einen entsprechenden Beschluss fasste das Kabinett von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni am Dienstagabend.

          Nach Angaben des nun höchst zufriedenen Landwirtschaftsverbandes Coldiretti hat bisher kein anderes Land der Welt ein derartiges Verbot ausgesprochen. Der entsprechende Gesetzentwurf soll bald seinen Weg durch die parlamentarischen Instanzen gehen. Auf Vorschlag des „Ministers für Landwirtschaft und Ernährungssouveränität“, Francesco Lollobrigida, soll die Herstellung und die Verbreitung von synthetischen Lebens- und Futtermitteln untersagt werden.

          Das Vorsichtsprinzip im Blick

          Auch in der EU gibt es bisher keine Zulassung, allerdings sind Forschungsprojekte im Gange. Wenn es zu einer europäischen Genehmigung kommen sollte, könnte sich Italien wegen des Prinzips des freien Warenverkehrs in der EU wohl nicht gegen Importe stemmen. Die Produktion auf italienischem Boden ist nun dagegen ausgeschlossen.

          Die italienische Regierung beruft sich dabei auf das Vorsichtsprinzip. Laut Gesundheitsminister Orazio Schillaci gäbe es „keinen wissenschaftlichen Beweis“, dass der Konsum von Laborfleisch keine schädlichen Auswirkungen habe. Harte Strafen drohen bei Verstoß, etwa Geldbußen von 10.000 bis 60.000 Euro oder bis zu 10 Prozent des Jahresumsatz der betroffenen Unternehmen. Steuervergünstigungen und Subventionen – auch durch die Europäische Union – sollen bis zu drei Jahre gesperrt werden.

          Die Landwirtschaftsvereinigung Coldiretti sprach von einem historischen Ereignis und gab ihrer Hoffnung Ausdruck, dass sich nun andere Länder dem Verbot anschließen. Die Lobbygruppe hatte in den vergangenen Monaten eine halbe Million Unterschriften gegen Laborfleisch gesammelt, darunter die Signatur von Ministerpräsidentin Meloni.

          Regierungsvertreter sind auch gegen Insektenmehl

          Es gibt derzeit keine konkreten Pläne einer Laborfleisch-Produktion in Italien, doch die politisch rechts stehende Regierung will vorsorgen. Politisch passt das zu ihrer Linie der Verteidigung traditioneller Werte Italiens. Schon gegen die kürzlich erfolgte Zulassung von Insektenmehl in der EU wetterte der stellvertretende Ministerpräsident Matteo Salvini in seiner bekanntermaßen holzschnittartigen Weise.

          „Wenn der Mensch gut isst, geht es ihm gut, wenn er Insektenmehl, synthetisches Fleisch oder Käse ohne Milch isst, geht es ihm schlecht“, sagte Salvini anlässlich der italienischen Koch-Meisterschaften des Verbands der Köche. Italien musste dem Verkauf von Insektenmehl dann aber doch zustimmen. In vier Dekreten hat die Regierung kürzlich genaue Vorschriften über Kennzeichnung, Beschreibung der Inhaltsstoffe und Gefahren für Allergiker erlassen.

          Im Falle des Laborfleisch will die Regierung jedoch nicht nachgeben. Es gelte die italienische Kultur und Tradition zu verteidigen, sagte Landwirtschaftsminister Lollobrigida im Parlament. Italien ist besorgt, nachdem die amerikanische Lebensmittelbehörde FDA kürzlich im Labor hergestellte Hühnerfilets der Unternehmen Upside Foods und Good Meat für den menschlichen Verzehr zugelassen hat. Der Präsident der Milchproduzenten, Paolo Zanetti, sprach von „skrupellosen Investoren“; sie würden „unter dem Vorwand des Umweltschutzes ein Produkt fördern, das ein Feind der Umwelt ist“.

          Dabei gilt Laborfleisch im Gegenteil als Hoffnungswert im Kampf gegen Massentierhaltung und Klimawandel. Es vermeidet Methanausstoß und Tierleid, spart beim Wasser- und beim Landverbrauch; allerdings gilt der Energieeinsatz heute noch als sehr hoch.

          In vielen Ländern kommen Forschung und Entwicklung indes voran; in Singapur oder Israel haben Restaurants synthetisches Fleisch auf der Speisekarte. In Australien arbeitet man sogar daran, Muskelproteine mit DNA des ausgestorbenen Mammut zu züchten. In Deutschland unterstützt die Bundesregierung finanziell ein Forschungsprojekt zur Herstellung von zellbasiertem Fleisch ohne Einsatz von Fetalem Kälberserum.

          Italien verschließt sich mit seinem Verbot nun diesem technischen Fortschritt. Die Argumente einiger Tierschutzverbände dringen kaum durch. Die Organisation Oiopa Italia wirft der Regierung vor, nur den Interessen der Landwirte zu folgen. Synthetisches Fleisch könne die Lösung sein, nicht das Problem – durch „eine tierschutzgerechte Produktion, ökologische Nachhaltigkeit und Lebensmittelsicherheit“, teilt die Organisation mit. Laborfleisch stelle eine Alternative zur Fleischproduktion „ohne Grausamkeit“ dar.

          Es könne auch für diejenigen interessant sein, die sich nicht für eine vegetarische oder vegane Ernährung entschieden haben. Die Organisation zitiert eine Studie der italienischen Beratungsgesellschaft Nomisma, nach der auf dem Weltmarkt für In-vitro-Fleisch schon Investitionen in Höhe von 1,3 Milliarden Euro verzeichnet wurden.

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