Wüstenstadt Shibam : Manhattan aus Sand und Lehm
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Da gibt’s nichts dran zu rütteln: Die Hochhäuser Shibams müssen mit Lehm und Holz restauriert werden Bild: REUTERS
Wie restauriert man Wolkenkratzer in der Wüste? Die uralte Wüstenstadt Shibam im Jemen stand kurz vor dem Verfall. Nun werden die bis zu neun Stock hohen Gebäude aus Lehm und Holz detailgetreu restauriert - und zwar mit deutscher Unterstützung.
Oft wird die jemenitische Händlerstadt mit Manhattan verglichen - dabei ist Shibam um Jahrhunderte älter. Die Hochhäuser sind aus Holz und Lehm, und Wasser umfließt nur nach Fluten das mittelalterliche Ensemble. Auf der einzigen Anhöhe des Wadis stehen auf knappem Raum die 437 Hochhäuser. Einige sind neun Stockwerke hoch, die meisten sieben. Das älteste wurde gebaut, als Kolumbus auf dem Seeweg nach Indien Richtung Westen aufbrach. Die Händler Shibams fuhren damals indes nach Osten, handelten Gewürze und Stoffe mit dem heutigen Indonesien und Malaysia.
Zu Hause, im Wadi des Hadramaut, endete ihr Blick nicht am fernen Horizont, sondern an den steil abfallenden rotbraunen Felsen, die nach oben auf die Hochebene führen. In dieser abgelegenen Gegend fühlten sich die Hadramautis sicher. Selbst die Römer hatte der Mut verlassen, sie wagten sich nicht in diesen Teil der Weihrauchstraße. Sie sahen nur die reichen Händler und meinten, deren Heimat müsse das „glückliche Arabien“ sein.
Exakt bis auf die Regenrinne
Shibam ist eines der am besten erhaltenen Stadtensembles. Wenn ein Haus abgerissen werden sollte, setzten sich Eigentümer und Nachbarn zusammen. Sie einigten sich auf ein Dokument, das alle Einzelheiten festhielt, Position und Art der Fenster wie den Verlauf der Regenrinne. Genauso musste das Haus wiederaufgebaut werden. Noch heute hält ein starkes Gemeinschaftsgefühl die Einwohner zusammen. „Das ist einer der Gründe“, sagt Omar Hallaj, „weshalb die Restaurierung von Shibam so erfolgreich ist.“
„Al almani“ rufen ihm in den engen Gassen zwischen den hohen Mauern die Kinder nach, „der Deutsche“. Dabei ist Hallaj ein Syrer aus Aleppo. In Shibam leitet er aber das Projekt der deutschen „Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit“ (GTZ) zur Restaurierung der alten Gebäude und zur Wiederbelebung der kommunalen Strukturen. Begonnen hatte das Projekt im Jahr 2000. Seither sind mehr als 70 Prozent der Häuser mit mindestens einem Bauauftrag mit dem Projekt verbunden. „Die einen haben wenig Geld und restaurieren in mehren Schritten, die anderen haben mehr Geld.“
Teurer als ein Neubau
Jedes dritte Haus, das 2000 leer stand, ist wieder bewohnt. Die Menschen kehren zurück. Ein Haus war vollkommen unbewohnbar. Stock für Stock wird es neu gebaut. Damit der Lehm gut trocknet, wird nach jedem Stockwerk eine Pause von mehreren Monaten eingelegt. Gebaut wird das Haus um eine zentrale Säule, „al arus“ (die Braut). Um sie führen die Treppen nach oben. „Solange dieser Teil intakt ist, kann man jedes Haus restaurieren.“ Im Erdgeschoss hatten die Händler ihre Lager, im Stock darüber die Tiere. Der dritte Stock war für die Männer, darüber wohnten die Familien. Drinnen ist es mehr als zehn Grad kühler als draußen in der Hitze der Wüste. Dafür sorgt der Luftschacht, der „shumsak“.
Hallaj macht sich nichts vor. Das Restaurieren ist teurer als ein Neubau mit billigen Methoden und Materialien. „Will eine Regierung etwas erhalten, erhebt sie von den Betroffenen indirekt eine Steuer.“ Der jemenitische Staat subventioniert daher über den „Social Development Fund“, der über Geberstaaten finanziert wird, jedes Restaurierungsprojekt mit 35 Prozent. Bei einigen Maßnahmen, etwa der Konservierung von Holz und dekorativen Elementen, sogar mit 75 Prozent. Die jemenitische Regierung subventioniert die Baumaßnahmen, die GTZ stellt Expertise und Experten zur Verfügung und gab dafür bislang sechs Millionen Euro aus, ein Viertel für Ausbildung.