Kampf gegen Müll im Meer : „Es ist nach fünf vor zwölf“
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Bedenkliche Entwicklung: Man sieht das Meer vor lauter Plastikmüll nicht mehr. Bild: Marine Megafauna Foundation
Der Beachvolleyballer und Tauchlehrer Tim Noack widmet sich dem Kampf gegen Plastikmüll im Meer. Im Interview spricht er über sein Projekt und die Frage, was „normal“ ist.
Sie sind ein Beachvolleyballer, der auch als Tauchlehrer arbeitet, das klingt nach schönem Leben?
Ich suche mir, glaube ich, sehr bewusst die Dinge aus, die mir Spaß machen, und denen ich viel Raum einräume. Für mich ist Tauchen sehr wichtig. Und Beachvolleyball ist für mich der interessanteste Sport der Welt.
Offenbar machen Sie sich aber auch Sorgen um den Zustand der Welt, wie man an Ihrem Engagement gegen die Verschmutzung der Meere ablesen kann?
Ich bin kein Meeresbiologe und kein Wissenschaftler, aber doch mehr drin in der Thematik als die meisten anderen Menschen, weil ich schon viel Zeit unter Wasser, am Meer, im Meer verbracht habe. Ich habe die Auswirkungen der Verschmutzung der Meere sehr hautnah spüren müssen, weil ich schon Tauchgänge erlebt habe, bei denen sehr viel Plastik im Wasser war. Gerade in Südostasien habe ich Strände gesehen, die komplett vollgemüllt waren. Wenn man sowas im realen Leben gesehen hat, setzt einem das emotional noch mehr zu, als wenn man es nur aus Social Media kennt.
Wie schätzen Sie die aktuelle Lage der Meere ein, da das übliche Leben wegen der Corona-Pandemie ja weitgehend zum Stillstand gekommen ist?
Ich glaube, aktuell profitieren die Meere, weil deutlich weniger Boote, Schnorchler und Taucher unterwegs sind und sicherlich auch weniger Menschen ihrer Unrat im Wasser entsorgen. In den Tauchgebieten dürfte es für die Fische die schönste Zeit sein, keine Geräusche von Booten, kaum Fischer. Die Touristen sind ja auch nicht da. Aber die Ruhe ist trügerisch und es wird nicht lange dauern, bis wieder der Zustand erreicht ist, der als „normal“ bezeichnet wird.
Ist Ihrer Meinung nach im „Normalzustand“ eine Grenze erreicht oder gar überschritten?
Das Meer kann es nicht mehr ausgleichen, was wir seit Jahrzehnten veranstaltet haben. Vor zehn Jahren hätte ja keiner für möglich gehalten - weil es so eine unfassbare große Menge an Wasser ist - dass der Ozean kippt. Oder dass richtig große Probleme auf uns zurückfallen könnten. Aber wenn man sich die Mikroplastik-Belastung anschaut ist es erschreckend. Es gibt Bereiche im Ozean, da schwimmt sechs Mal so viel Mikroplastik wie Plankton. Und Plankton ist das Grundnahrungsmittel von vielen Meeresbewohnern. Und deswegen ist es jetzt schon nach fünf Minuten vor zwölf. Wir stehen am Tipping Point. Weil man eigentlich sofort aufhören müsste, Plastik zu benutzen, was aber wirtschaftlich nicht umsetzbar ist. Das Problem ist, dass jede Menge Plastik schon drin ist und deshalb die Mikroplastikbelastung noch steigt. Jede Art von Plastik-Müll zersetzt sich nach und nach in Mikroplastik und Nanoplastik. Und das ist der Gedanke, der mich wahnsinnig macht: Jedes jemals produzierte Stück Plastik, das in die Umwelt geraten ist, existiert noch - nur eben in anderer Form. Plastik vergeht nie.
Und deshalb haben Sie entschieden, sich zu engagieren?
Auch wenn mein Einfluss nicht gigantisch ist. Für mich ist es keine Option gewesen, die ganzen Sachen emotional zu erleben und dann zu sagen: „Ja mei, ist halt so, kann man nix machen.“ Deshalb möchte ich etwas machen, das bisschen was bewegt, ein bisschen Hilfe nach Indonesien sendet. Und ein paar Leute hier zum Nachdenken anregt.
Was machen Sie konkret?
Im Grunde ist „Mantahari“ auf zwei Säulen aufgebaut. Ich verkaufe Produkte, wie zum Beispiel Caps, Taschen oder Sporbekleidung, die zertifiziert sind, aus Biobaumwolle und einem recycelten Garn, so dass die Kunststoffe keine neugeschaffenen sind. Und die Produktverkäufe generieren Spenden für die Ozeanschutzorganisation „Marine Megafauna Foundation“ in Indonesien, abgekürzt MMF. Der Gedanke ist, dass wir es in Deutschland relativ leicht verkraften können, fünf Euro mehr für eine Cap zu zahlen. Die Spende kommt in Indonesien als sehr wertvolles Geld an. Es ist mittlerweile ein fünfstelliger Betrag hingeflossen. Damit werden Opinionleader in der Local Community aufgebaut, um das Bewusstsein für Plastik zu verändern, damit der Gedanke nicht nur von Ausländern reingebracht wird, sondern von innen wächst.