Weihnachtslotterie in Spanien : Die Krise mästet den Dicken
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Heute ist Ziehung der Weihnachtslotterie in Spanien. Sie dauert drei Stunden und wird live im Fernsehen übertragen.„El Gordo“ sitzt auf zwei Milliarden Euro: Dem Losglück vertrauen die Spanier mehr als der Börse.
Krise? Welche Krise? Das fragen sich seit Wochen die Verkäufer in den spanischen Lotteriekiosken. "El Gordo", der Dicke, ist fetter als jede Weihnachtsgans und sitzt auf einem Pott von mehr als zwei Milliarden Euro. An diesem Montag, zwei Tage vor Heiligabend, ist nun der Spanier schönste Bescherung. Bis zu drei Millionen werden für die richtige fünfstellige Zahl einer Serie ausbezahlt. Und weil jeder für 20 Euro pro "Zehntellos" sich in so vielen Serien einkaufen kann, wie er will, fällt heute ein immer noch rasch in Peseten umgerechneter Rekordgeldsegen vom Himmel.
Im vorigen Dezember füllte der Dicke allein mit 270 Millionen die Taschen einer Tippgemeinschaft in einem Dorf in Asturien und verteilte seine sonstigen Wohltaten ziemlich gleichmäßig über das Land. Der Staat, der auch auf der Iberischen Halbinsel mitnimmt, was er kann, hält sich bei der Weihnachtslotterie auffallend zurück und behält nur ein knappes Drittel der Einsätze für sich. Weil so doch noch reichlich für die Bürger übrig bleibt, haben sie zu dem Dicken auch mehr Vertrauen als, nur zum Beispiel, zu den Banken.
Konservative Kapitalanlage
Vielleicht ist ebendies das Geheimnis seiner noch gesteigerten Popularität in einem auch wirtschaftlich außergewöhnlich kalten Winter. Ein Zehntellos gilt gleich nach dem Baren unter der Matratze als höchst vernünftige konservative Kapitalanlage. Das wird nirgendwo sichtbarer als in Madrid, wo jeder seriöse Zocker der Hauptstadt im Durchschnitt 86 Euro für Lose ausgibt und damit der Börse zumindest indirekt eine Absage erteilt.
Der Dicke hat seine Eigenarten, seine Geographie, Geschichte und Statistiken. Sie sind zusammengenommen auch ein Spiegel der Sehnsüchte, Strategien und des Glückspiel-Aberglaubens einer Bevölkerung, die sich mit Konsumverzicht wesentlich schwerer tut als etwa die deutsche und hoffnungsvoll antizyklisch spielt. Die längste Schlange des Landes war wie meistens im Advent wieder auf der Madrider Gran Vía vor dem Kiosk von Doña Manolita zu beobachten. Mit dieser Adresse hat es seine besondere Bewandtnis. Die Lose der Doña gewinnen am häufigsten, zuletzt im Vorjahr mit einem ersten und fünften Preis. "Der Umsatz, in diesem Jahr eine halbe Million Zehntel, macht es", sagen die Wahrscheinlichkeitsrechner. Die Gläubigen erwidern: "Es ist Fügung!"
Glück findet man in Sort
Gleich hinter Manolita folgt das katalanische Städtchen Sort ("Glück") bei Lleida. Dort beginnt der Lotterietourismus schon im Sommer, wenn die ersten Weihnachtszehntel auf den Markt kommen. Und natürlich hat Sort in diesem Gewerbe schon so viel Glück gehabt, dass die Leute von weit her kommen, um eine Anzahlung auf künftigen Reichtum zu leisten. Denn die Devise, dass man das Glück nicht sucht, sondern findet, gilt Spaniern für alles, außer für den Dicken.
Was tun nun die Spanier (Basken, Katalanen und Galicier eingeschlossen), um in herzlicher Eintracht auf eine magische Zahl zu setzen? Sie fahren zum Beispiel nach Asturien und suchen nach dem Datum, an dem der Rennfahrer Fernando Alonso die Weltmeisterschaft in der Formel 1 gewann (22106). Morbide Gesellen wählten in diesem Jahr auch den Tag des Flugzeugabsturzes im August auf dem Madrider Flughafen Barajas. Die meisten gehen aber einfach zu ihrem Losverkäufer und treiben diesen mit genauen Zahlenangaben zum Wahnsinn. Weil die Endziffer 5 bislang am häufigsten gewann, muss es eine Fünf sein. Weil der Dicke in seiner Geschichte schon viermal auf drei gleiche Endziffern (444, 666, 888, 999) fiel, sind auch diese Folgen über die Maßen begehrt. Obwohl eine Null am Ende eigentlich gemieden wird, macht man bei 15640 gern eine Ausnahme. Diese Zahl hat schließlich schon zweimal gewonnen.