Waldorfschulen : Auf Rudolf Steiners Spuren
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Noch fragwürdiger ist eine 2006 verfasste Arbeit mit dem Titel „Alternative Betrachtungen zum Krankheitsbild ADHS“ (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivität-Syndrom). Der Diplomarbeit gehe es „vor allem um kosmische und irdische Einflüsse“, die eine „längerfristige Veränderung des menschlichen Bewusstseins“ und des „Planeten Erde“ bewirkten. Was dann folgt, sind Ausflüge in Aberglauben, Kosmologie und Esoterik (Wassermannzeitalter, Kalender der Maya, Gammastrahlung), die mit Wissenschaft nichts zu tun haben, um dann festzustellen: „Künstlerische Betätigung macht das Kind innerlich reich, wohingegen intellektuelle Betätigung das Gegenteil bewirkt.“
Mit dem Unterricht in Waldorfschulen beschäftigt sich nun auch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften. Sie untersucht im Auftrag des Bundesjugendministeriums Ernst Uehlis Buch über „Atlantis“, das 1936 in erster Auflage erschien und Rudolf Steiners „kosmologische Begründung“ der Rassenlehre darstellt. Diese Schrift könnte noch als zeitbedingt abgetan werden, hätte sie nicht die Pädagogische Forschungsstelle der Waldorfschulen im Dezember 1998 den Waldorflehrern für den Geschichtsunterricht in der fünften Klasse empfohlen und erst im Jahr 2000 nach heftiger öffentlicher Kritik aus dem Verkehr gezogen. Noch steht die mehrfach verschobene Entscheidung darüber aus, ob das Buch zur „sozialethischen Desorientierung“ beitrage und deshalb abgesetzt wird.
Keine Zensuren, sondern Lernberichte
Spätestens seit der Pisa-Studie sind die Privatschulen noch beliebter als zuvor. Das gilt auch für die über 200 Waldorfschulen, die sich am internationalen Vergleichstest nicht beteiligt hatten, inzwischen aber lange Wartelisten für interessierte Schüler führen. Sie werden je nach Ersatzschulfinanzierung des jeweiligen Landes bis zu achtzig Prozent aus Steuermitteln finanziert und sind schulgeldpflichtig. In Bayern sind es 80 Prozent, in Hamburg soll die Ersatzschulfinanzierung bis zum Jahr 2011 auf 85 Prozent der Kosten eines Schülers an einer öffentlichen Schule steigen.
Die Schüler erhalten keine Zensuren, sondern Lernberichte. Die Waldorfschulen sind nach Artikel 7 des Grundgesetzes Weltanschauungsschulen und dürfen deshalb nach der anthroposophischen Lehre Rudolf Steiners unterrichten. Die Waldorfschulen selbst bestreiten in der Regel, eine Weltanschauungsschule zu sein und werden in einigen Landesschulgesetzen als Schulen mit besonderer pädagogischer Prägung bezeichnet. Die Schulaufsicht über das gesamte Schulwesen liegt allerdings beim Staat.
Eine wissenschaftliche Ausbildung?
Die Schüler stammen zumeist aus privilegierten Elternhäusern; Ausländer und Problemgruppen gibt es so gut wie nicht (der Anteil ausländischer Kinder liegt bei höchstens 2,8 Prozent). Schulbücher werden bis zur neunten Klasse durch Epochenhefte ersetzt, in denen die Schüler Vorträge und Tafelbilder des meist dozierenden Lehrers aufschreiben. Waldorfschulen enden nach der zwölften Klasse. Die Schule entscheidet, welcher Schüler zum Abitur zugelassen wird oder die externe Realschulprüfung ablegt. Staatlich anerkannt ist der interne Waldorfabschluss nach 12 Jahren nicht. Dem Düsseldorfer Landtag liegt eine kleine Anfrage eines CDU-Abgeordneten vom April 2007 zu Lehrerausbildung und Unterrichtsinhalten an den Waldorfschulen vor, in der auch der Vorwurf erhoben wird, in den Waldorfschulen würden „unwissenschaftliche, stark ideologisch geprägte Inhalte vermittelt“.
Im Studienbegleiter für den Klassenlehrer-Studiengang des Stuttgarter Seminars für Waldorfpädagogik aus dem Jahre 2005 wird freilich der Anspruch einer wissenschaftlichen Ausbildung erhoben. Die Themen des zweijährigen Ausbildungsgangs lassen jedoch daran zweifeln. Im ersten Jahr stehen anthroposophische Menschenkunde nach Steiners „Theosophie“ auf dem Programm, dazu die Evolution von Erde und Mensch vom Aspekt der Geisteswissenschaft bis hin zur „goetheanischen Farbenlehre“.
Folgen auch für die Sitzordnung
Das Studium der ersten Theosophie-Kapitel diene „einer geistigen Schulung, die Inhalte nicht kommentiert oder interpretiert, sondern am Beginn des Studiums die Fähigkeit veranlagt zu einem innerlichen Nachvollziehen der Inhalte“: Während der gesamten Ausbildungszeit haben die Lehrer Malen und Plastizieren, Musik, Sprachgestaltung und Eurythmie zu belegen. Der Hauptkurs im zweiten Studienjahr betrachtet „allgemeine Menschenkunde“, „soziale Dreigliederung“, „Christologie“. Die methodische Ausbildung umfasst die „Entwicklung des Kindes“ und der kindlichen Temperamente nach antikem Vorbild. An einigen Schulen hat das unmittelbare Folgen auch für die Sitzordnung.