Genetik : Was ist ein Hybridhuhn?
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Die Anfälligkeit für Krankheiten ist von den Genen abhängig Bild: picture-alliance / dpa
Hybridhühner entstehen im Labor und werden einzig und alleine zu dem Zweck gezüchtet, den Appetit der Menschen nach Eiern und Fleisch zu befriedigen. Nun überlegen Forscher die Tiere vogelgripperesistent machen.
Unter Hybriden versteht man im Züchtungswesen Tiere oder Pflanzen, die durch Kreuzung zweier verschiedener Inzuchtlinien entstanden sind. Solche Organismen sind oft deutlich leistungsfähiger als ihre Eltern. Wie dieser sogenannte "Heterosis-Effekt" zustande kommt, darüber gibt es bisher nur Theorien. Eine besagt, daß Hybridtiere besser sind, weil in ihrem Erbgut besonders viele optimale Genvarianten dominieren: Während bei der Mutter-Henne von den Genen A, B und C nur die Variante C die Legeleistung verbessert, steuert der Hahn bessere Varianten von A und B bei. Im Hybriden-Erbgut würden dann zwar positive und negative Genvarianten kombiniert, die positiven würden sich aber durchsetzen.
Andere Genetiker vermuten, daß durch die hohe Anzahl genetischer Varianten mehr Gene beziehungsweise deren Proteinprodukte miteinander interagieren können. "Manche Enzyme bestehen aus zwei oder mehr Komponenten", sagt Eckhard Wolf, Tiergenetiker an der Universität München, "vielleicht ist die Wahrscheinlichkeit höher, daß diese Komponenten besser zusammenarbeiten, wenn sie in verschiedenen Varianten vorkommen." Doch bisher bleibt es wenig mehr als Spekulation, welche molekularen Vorgänge in Heterosis-Tieren anders ablaufen als in reinen Inzuchtstämmen.
Anfälligkeit für Krankheiten schwer erkennbar
Um diese Frage zu beantworten, müßte man das Erbgut der Elterntiere mit dem der Hybriden vergleichen. Das hieße, die Aktivitäten Zehntausender Gene gleichzeitig zu untersuchen. Die Techniken dafür stehen erst seit kurzem zur Verfügung. Forscher der Pekinger Agricultural University haben die Aktivitäten von Genen in der Leber von HybridhHühnern mit denen ihrer Eltern verglichen. Ergebnis: In den Leberzellen von Hybriden sind offenbar Gene aktiv, die bei den Eltern abgeschaltet waren. Welche, das wissen die Forscher allerdings noch nicht.
So erfolgreich die Hybridzucht auch sein mag - bisher ist man immer darauf angewiesen, daß sich die Leistungsmerkmale irgendwie messen lassen. Doch anders als bei Eigröße oder Schlachtgewicht läßt sich nur schwer feststellen, ob eine Zuchtlinie mehr oder weniger anfällig für eine bestimmte Erkrankung ist. Deshalb versuchen Forscher in einem Projekt "Funktionelle Genomanalyse beim Tierischen Organismus", Genvarianten aufzuspüren, die Tiere widerstandsfähiger gegen Infektionen mit sogenannten avianen pathogenen Escherichia-coli-Bakterien machen. "Wir wollen per Gentest sichtbar machen, welche Hühner Genvarianten tragen, die Resistenz dagegen vermitteln", sagt der Tierphysiologe Thomas Göbel von der Universität München, der mit den Hühnerzüchtern der Firma Lohmann und anderen Forschern in Deutschland zusammenarbeitet.
Forscher arbeiten an vogelgripperesistentem Huhn
Das fundamentale Problem der Tierzucht der letzten Jahrzehnte bestehe darin, daß traditionell nur auf Leistung gezüchtet und die Immunabwehr lange Zeit vernachlässigt worden sei, "und zwar nicht aus böser Absicht", sagt Göbel, "sondern weil man schlicht keine meßbaren Parameter hatte, mit denen sich widerstandsfähige Tiere erkennen ließen". Mit Hilfe der Analyse des entzifferten Hühnergenoms sei man diesen Markern jetzt auf der Spur.
In Richtung Gentechnik geht Helen Sang im schottischen Roslin-Institut, wo schon das Klonschaf Dolly geboren wurde. Die Biologin hat es geschafft, Hühnerzellen in der Petrischale so zu verändern, daß alle bekannten Virustypen der Vogelgrippe nicht mehr an den Zellmembranen andocken können. Es sei jedoch eine "Entscheidung der Gesellschaft", ob jemals ein gentechnisch verändertes Huhn, und sei es noch so vogelgripperesistent, in den Ställen stehen wird.
Impfen bessere Alternative
Es gibt auch kritische Stimmen: Dietmar Flock, Tiergenetiker und Präsident der Deutschen Vereinigung für Geflügelwissenschaft, bezweifelt beispielsweise, "ob sich der bisherige Forschungsaufwand jemals durch bessere oder billigere Produkte auszahlen wird". Denn ob Gentechnik, Gentest oder konventionelle Züchtung - letztlich müssen die Hühner die Marktbedingungen erfüllen. Ein Beispiel ist die Mareksche Lähmungserkrankung, der bei einem Ausbruch rund die Hälfte der Tiere im Stall zum Opfer fällt.
Seit den sechziger Jahren hatte Flock selbst daran gearbeitet, resistente Stämme zu züchten, so daß nur noch zwanzig Prozent Hühner starben. Doch als dann die Produzenten gegen die Marek'sche Krankheit impfen konnten und dabei die Sterblichkeit sogar auf zwei Prozent senkten, verlor die resistente Zuchtlinie ihren Markt. Sie konnte mit den anfälligeren, aber dafür leistungsstärkeren Linien nicht mithalten. "Impfen ist immer die bessere Alternative", sagt Flock. Sein Fachkollege Wolf meint: "Wir können den Züchtern nur ein Angebot machen."