https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/vogelgrippe/genetik-was-ist-ein-hybridhuhn-1305448.html

Genetik : Was ist ein Hybridhuhn?

  • -Aktualisiert am
Die Anfälligkeit für Krankheiten ist von den Genen abhängig

Die Anfälligkeit für Krankheiten ist von den Genen abhängig Bild: picture-alliance / dpa

Hybridhühner entstehen im Labor und werden einzig und alleine zu dem Zweck gezüchtet, den Appetit der Menschen nach Eiern und Fleisch zu befriedigen. Nun überlegen Forscher die Tiere vogelgripperesistent machen.

          3 Min.

          Unter Hybriden versteht man im Züchtungswesen Tiere oder Pflanzen, die durch Kreuzung zweier verschiedener Inzuchtlinien entstanden sind. Solche Organismen sind oft deutlich leistungsfähiger als ihre Eltern. Wie dieser sogenannte "Heterosis-Effekt" zustande kommt, darüber gibt es bisher nur Theorien. Eine besagt, daß Hybridtiere besser sind, weil in ihrem Erbgut besonders viele optimale Genvarianten dominieren: Während bei der Mutter-Henne von den Genen A, B und C nur die Variante C die Legeleistung verbessert, steuert der Hahn bessere Varianten von A und B bei. Im Hybriden-Erbgut würden dann zwar positive und negative Genvarianten kombiniert, die positiven würden sich aber durchsetzen.

          Andere Genetiker vermuten, daß durch die hohe Anzahl genetischer Varianten mehr Gene beziehungsweise deren Proteinprodukte miteinander interagieren können. "Manche Enzyme bestehen aus zwei oder mehr Komponenten", sagt Eckhard Wolf, Tiergenetiker an der Universität München, "vielleicht ist die Wahrscheinlichkeit höher, daß diese Komponenten besser zusammenarbeiten, wenn sie in verschiedenen Varianten vorkommen." Doch bisher bleibt es wenig mehr als Spekulation, welche molekularen Vorgänge in Heterosis-Tieren anders ablaufen als in reinen Inzuchtstämmen.

          Anfälligkeit für Krankheiten schwer erkennbar

          Um diese Frage zu beantworten, müßte man das Erbgut der Elterntiere mit dem der Hybriden vergleichen. Das hieße, die Aktivitäten Zehntausender Gene gleichzeitig zu untersuchen. Die Techniken dafür stehen erst seit kurzem zur Verfügung. Forscher der Pekinger Agricultural University haben die Aktivitäten von Genen in der Leber von HybridhHühnern mit denen ihrer Eltern verglichen. Ergebnis: In den Leberzellen von Hybriden sind offenbar Gene aktiv, die bei den Eltern abgeschaltet waren. Welche, das wissen die Forscher allerdings noch nicht.

          So erfolgreich die Hybridzucht auch sein mag - bisher ist man immer darauf angewiesen, daß sich die Leistungsmerkmale irgendwie messen lassen. Doch anders als bei Eigröße oder Schlachtgewicht läßt sich nur schwer feststellen, ob eine Zuchtlinie mehr oder weniger anfällig für eine bestimmte Erkrankung ist. Deshalb versuchen Forscher in einem Projekt "Funktionelle Genomanalyse beim Tierischen Organismus", Genvarianten aufzuspüren, die Tiere widerstandsfähiger gegen Infektionen mit sogenannten avianen pathogenen Escherichia-coli-Bakterien machen. "Wir wollen per Gentest sichtbar machen, welche Hühner Genvarianten tragen, die Resistenz dagegen vermitteln", sagt der Tierphysiologe Thomas Göbel von der Universität München, der mit den Hühnerzüchtern der Firma Lohmann und anderen Forschern in Deutschland zusammenarbeitet.

          Forscher arbeiten an vogelgripperesistentem Huhn

          Das fundamentale Problem der Tierzucht der letzten Jahrzehnte bestehe darin, daß traditionell nur auf Leistung gezüchtet und die Immunabwehr lange Zeit vernachlässigt worden sei, "und zwar nicht aus böser Absicht", sagt Göbel, "sondern weil man schlicht keine meßbaren Parameter hatte, mit denen sich widerstandsfähige Tiere erkennen ließen". Mit Hilfe der Analyse des entzifferten Hühnergenoms sei man diesen Markern jetzt auf der Spur.

          In Richtung Gentechnik geht Helen Sang im schottischen Roslin-Institut, wo schon das Klonschaf Dolly geboren wurde. Die Biologin hat es geschafft, Hühnerzellen in der Petrischale so zu verändern, daß alle bekannten Virustypen der Vogelgrippe nicht mehr an den Zellmembranen andocken können. Es sei jedoch eine "Entscheidung der Gesellschaft", ob jemals ein gentechnisch verändertes Huhn, und sei es noch so vogelgripperesistent, in den Ställen stehen wird.

          Impfen bessere Alternative

          Es gibt auch kritische Stimmen: Dietmar Flock, Tiergenetiker und Präsident der Deutschen Vereinigung für Geflügelwissenschaft, bezweifelt beispielsweise, "ob sich der bisherige Forschungsaufwand jemals durch bessere oder billigere Produkte auszahlen wird". Denn ob Gentechnik, Gentest oder konventionelle Züchtung - letztlich müssen die Hühner die Marktbedingungen erfüllen. Ein Beispiel ist die Mareksche Lähmungserkrankung, der bei einem Ausbruch rund die Hälfte der Tiere im Stall zum Opfer fällt.

          Seit den sechziger Jahren hatte Flock selbst daran gearbeitet, resistente Stämme zu züchten, so daß nur noch zwanzig Prozent Hühner starben. Doch als dann die Produzenten gegen die Marek'sche Krankheit impfen konnten und dabei die Sterblichkeit sogar auf zwei Prozent senkten, verlor die resistente Zuchtlinie ihren Markt. Sie konnte mit den anfälligeren, aber dafür leistungsstärkeren Linien nicht mithalten. "Impfen ist immer die bessere Alternative", sagt Flock. Sein Fachkollege Wolf meint: "Wir können den Züchtern nur ein Angebot machen."

          Weitere Themen

          Ein Mann muss bequem sein

          Herzblatt-Geschichten : Ein Mann muss bequem sein

          Die Wulffs trauen sich ein drittes Mal, Ottfried Fischer hat aufs Heiraten keine Lust mehr und Rupert Murdoch will 184 werden: die Herzblatt-Geschichten.

          Topmeldungen

          Donald Trump bei einer Wrestlingveranstaltung im März 2023 in Oklahoma.

          Mögliche Anklage : Trump wird der falsche Prozess gemacht

          Trump hat Schlimmeres getan, als einer Pornodarstellerin Schweigegeld zu zahlen. Würde er nach einer Anklage freigesprochen, so schadete das wichtigeren Verfahren.

          Abnehmen am Bodensee : Hier fasten die Superreichen

          Scheichs und Adlige, Manager und Politiker, selbst Hollywoodstars: Die Fastenklinik Buchinger Wilhelmi am Bodensee ist eine Pilgerstätte der Reichen und Superreichen. Es ist eine merkwürdig heile Welt.
          Polarisiert, sogar in anderen Parteien als ihrer eigenen: Sahra Wagenknecht

          Linke 2.0 : Warum Wagenknecht zögert, eine neue Partei zu gründen

          Ihre Gegner sagen, Sahra Wagenknecht fehle das Talent zum Organisieren. Außerdem sei sie nicht belastbar genug. Wagenknechts Umfeld sorgt sich vor rechten Mitläufern. Oder gibt es noch einen anderen Grund?

          Newsletter

          Immer auf dem Laufenden Sie haben Post! Die wichtigsten Nachrichten direkt in Ihre Mailbox. Sie können bis zu 5 Newsletter gleichzeitig auswählen Es ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es erneut.
          Vielen Dank für Ihr Interesse an den F.A.Z.-Newslettern. Sie erhalten in wenigen Minuten eine E-Mail, um Ihre Newsletterbestellung zu bestätigen.