Auch Männer haben postpartale Depressionen
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„Ich bin nicht bescheuert, ich bin einer von vielen, denen es so geht“: Benjamin Dittrich – hier in seiner Wohnung in Köln – hat eine Selbsthilfegruppe für Väter gegründet. Bild: Marcus Simaitis
Postpartale Depressionen bei Frauen sind bekannt. Aber auch Männer leiden nach der Geburt des ersten Kindes daran – auf eine andere Art. Und die Betroffenen suchen sich seltener Hilfe.
Einen Moment lang ging Martin Gleiß davon aus, dass seine Frau jetzt stirbt. Sie hatte gerade in fünf anstrengenden Stunden im Kreißsaal ihren gemeinsamen Sohn geboren, als sie plötzlich einen Schwall Blut verlor. „Ich habe mich schon als alleinerziehenden Vater gesehen“, sagt Gleiß. Zwei Hebammen und zwei Ärzte kämpften um das Leben seiner Frau, sie retteten sie schließlich. In den Wochen und Monaten danach spürte Gleiß eine tiefe Erschöpfung und merkte, dass ihn die Erlebnisse bei der Geburt nicht losließen. Er bekam sogar Flashbacks, unkontrolliert ploppten in seinem Kopf Bilder von der Geburt auf. „Das war ein richtiges Trauma.“
Iris Hauth kennt solche Fälle gut. Sie ist Ärztliche Direktorin des Alexianer St. Joseph-Krankenhauses Berlin-Weißensee und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde. „Es ist bekannt, dass zehn bis 15 Prozent der Frauen nach der Geburt Symptome einer psychischen Störung entwickeln. Am häufigsten sind postpartale Depressionen“, sagt Hauth. Aber: „Mittlerweile gibt es einige nationale und internationale Studien, die davon ausgehen, dass auch fünf bis zehn Prozent der Männer an postpartalen Depressionen leiden.“ Nicht immer sind sie auf so dramatische Ereignisse wie bei Gleiß zurückzuführen; manche jungen Väter entwickeln sie ganz ohne offensichtlichen Auslöser. Die Psychiaterin glaubt, dass postpartale Depressionen bei Männern unterdiagnostiziert sind, „da Männer häufig aufgrund des Rollenklischees weniger über ihren seelischen Zustand sprechen und Hilfe suchen“.
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