Unwetter in Süddeutschland : Wenn sich Geröllmassen durch die Straßen schieben
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Die Wassermassen waren nicht aufzuhalten: Jetzt stehen die Einwohner Braunsbachs auf den Trümmern ihrer Häuser. Bild: Helmut Fricke
Das Unwetter traf vor allem Braunsbach in Baden-Württemberg. Drei Bäche, die eigentlich eher Rinnsale sind, schwollen hier zu reißenden Flüssen an. Der Ort wurde förmlich überrollt.
Wer aus Geislingen kommt und sich Braunsbach von Süden nähert, der durchquert die Grimmbach-Mündung. Dort zweigt aus dem Kochertal einer der schönsten Wanderwege in der Region Hohenlohe ab. Am Montagmorgen ist der Wanderweg in der Region im Norden Baden-Württembergs nur noch eine Geröllhalde. Eine Fahrradbrücke mit Asphaltbelag ist zerquetscht und weggeschwemmt worden, der Kocher führt Hochwasser.
Die Tal-Auen des Flusses, Wiesen und Wege sind überschwemmt mit Baumstämmen und gepressten Holzballen. Die schwarz-weißen Leitpfosten zur Markierung des Fahrbahnrands sind eingeknickt wie Strohhalme. Ein Schild mit der Aufschrift „Gästezimmer“ versinkt im Schlamm. Teile von Strommasten, riesige schwarze Kanalisationsrohre treiben im Fluss. In der Luft kreist ein Hubschrauber.
Landwirt Kurt Notdurft und Waldbesitzer Alexander Saam gehen über die völlig verschlammte Straße. Über der Kochertalbrücke hängen dunkle Wolken. Die beiden Männer sind fassungslos. Notdurft lässt an der Mündung des Grimbachs normalerweise seine 20 Kühe grasen. Am Sonntagabend waren sie zum Glück auf einer anderen Wiese. Das Unwetter im Jagsttal hätten sie niemals überlebt.
„Das liegt an der Flurbereinigung“
Am Sonntagabend setzte in den frühen Abendstunden in Braunsbach und Umgebung Starkregen ein, nach einer guten Stunde schwollen drei Bäche, die eigentlich eher Rinnsale sind und allesamt in den Kocher fließen, zu reißenden Flüssen an. Das braune Wasser und die Geröllmassen rissen alles fort. Etwa 100 Festmeter Holz liegen nun in den Auen. „Ich hatte hier eine kleine Hütte, davon ist nichts mehr übrig“, sagt Saam. Unter einem Haufen aus Schlamm und Ästen entdeckt er seine Schubkarre. „Das war meine, die ist auch zerquetscht worden, die kann ich wegschmeißen.“
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Saam und Notdurft haben eine Erklärung dafür, warum das Unwetter das Dorf Braunsbach mit 1000 Einwohnern so getroffen hat: „Seitdem es die Autobahn gibt, ist der Grimmbach immer schneller angestiegen“, sagt Saam. „Das liegt an der Flurbereinigung, die man oben auf den Hügeln gemacht hat. Das hat hier aber nie jemanden interessiert.“
Das ganze Ausmaß des Unwetters lässt sich erkennen, wenn man durch die Straßen geht – oder besser: durch die Trümmer in den Straßen. Auf dem Marktplatz klafft ein anderthalb Meter tiefes Loch. In einem Feinkostgeschäft liegt das Geröll, das die Fluten des Bachs dahin gespült haben, kniehoch. Einige Autos sind fast bis zum Dach mit Schlamm und Schotter bedeckt. Die Feuerwehr hat an alle Fahrzeuge, die sie auf Überlebende überprüft hat, ein lilafarbenes Kreuz gesprüht. Es riecht nach Benzin, weil überall Treibstoff ausgelaufen ist. Auch ein Feuerwehrauto ist von den Wassermassen an die Wand gedrückt worden, nun ist es schrottreif.
Geröll und Schlamm in Wohnzimmern und Büros
Fast alle Braunsbacher schaufeln das Geröll und den Schlamm aus ihren Wohnzimmern oder Geschäftsräumen. Ein Mitarbeiter eines Reisebüros, das an einer Kreuzung in der Ortsmitte liegt, trägt verschlammte Polstermöbel auf die Straße. In einem anderen Ladengeschäft schaufeln fünf Helfer den Schlamm in Plastikeimer, einer von ihnen ist Landtagsabgeordneter der AfD. Auf allen Straßen und Plätzen versuchen Feuerwehrleute und Bauarbeiter, mit Muldenkippern und Baggern die Geröllmassen und Sperrholzhaufen wegzuräumen. Es wird noch Wochen dauern, bis in Braunsbach wieder so etwas wie ein normales dörfliches Leben möglich sein wird. Der Ortskern ist zerstört, viele Geschäfte wurden überschwemmt.