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Torsten Reinwald ist Jäger und hier zu sehen mit seinem Hund „Dasko“, einer Kopov-Bracke. Bild: Privat

Ein Jäger im Interview : „Greift ein Wildschwein an, geht es zwischen die Beine“

  • -Aktualisiert am

In Mecklenburg-Vorpommern hat ein Wildschwein einen Jäger getötet. Solche Fälle sind zwar sehr selten. Begegnungen mit einem Wildschwein können aber für Jäger stets gefährlich werden – und für Spaziergänger erst recht.

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          Für einen Jäger in Deutschland ist es das gefährlichste denkbare Szenario: ein angeschossenes, in die Enge getriebenes Wildschwein zu stellen. Bei Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern ist nun ein Jäger gestorben, nachdem er von einem angeschossenen Wildschwein angegriffen und schwer am Beim verletzt worden war. Torsten Reinwald, 45 Jahre alt, ist Jäger und Pressesprecher des Deutschen Jagdverbandes. Ein Gespräch.

          Wie riskant ist die Jagd?

          Die Jagd ist an und für sich vergleichsweise ungefährlich. 2016 gab es keinen einzigen tödlichen Jagdunfall mit Schusswaffen in Deutschland. Auch Todesfälle, die durch Tiere verursacht werden, sind sehr selten. Der letzte mir bekannte Fall war 2008 in Brandenburg.

          Und wie oft verletzen sich Jäger?

          Jedes Jahr verletzen sich 900 bis 1000 Jäger schwer. Das sind hauptsächlich Knochenbrüche oder Schnittverletzungen. Die meisten Jäger verletzen sich, wenn sie im Unterholz unglücklich hängen bleiben oder sich mit dem Messer schneiden, wenn sie ein erlegtes Wildtier ausnehmen. Häufig sind auch Stürze vom Hochsitz. Dass Jäger von Tieren getötet werden, kommt sehr selten vor. Der in Mecklenburg-Vorpommern gestorbene Jäger ist ein Sonderfall.

          Er ist bei der Nachsuche ums Leben gekommen. Was ist das genau?

          Wenn durch einen schlechten Schuss oder durch einen Zusammenstoß mit einem Auto ein Tier verletzt wird und es flieht, wird es nachgesucht. Aus Tierschutzgründen ist das unerlässlich. Dafür gibt es sogenannte „Schweißhunde“, die eigens dafür gezüchtet wurden. Schweiß steht in der Jägersprache für Blut. Mit ihrer empfindlichen Nase können diese Hunde die Spur des geflüchteten Tieres verfolgen. Speziell ausgebildete Jäger machen sich in solchen Fällen mit diesen Hunden auf die Suche. Bei größeren Jagden muss der Veranstalter Sorge tragen, dass „Schweißhunde“ vor Ort sind. Der Hund läuft an einer zehn bis zwanzig Meter langen „Schweißleine“ voraus und findet in den meisten Fällen auch das Tier.

          Und dann?

          Wenn es zu einer Konfrontation kommt, etwa mit einem Wildschwein, das sich unter einem umgefallenen Baum versteckt oder einem Wurzelteller, kann es sein, dass das Tier angreift.

          Welche Waffe nutzt der Jäger in dieser Situation?

          Das ist sehr individuell. Ich habe selbst einen Hund für die Schweißarbeit ausgebildet und mache Nachsuchen. Ich verlasse mich dabei auf meinen Repetiergewehr. Es gibt aber auch Jäger, die schwören auf Kurzwaffen, also Revolver oder Pistolen mit großem Kaliber. Die Geschosse sind allesamt darauf ausgelegt, schnell zu töten. 

          Was macht ein Jäger, der nachts vom Hochsitz Wild getroffen hat, dieses aber flieht?

          Es gilt die Regel, dass in jedem Revier mindestens ein Gespann aus Jäger und ausgebildetem Hund für die Nachsuche bereit stehen muss. Ich selbst werde manchmal mitten in der Nacht benachrichtigt. Die Grundregel lautet dabei, nie allein, sondern immer zu zweit mit dem Schützen auf die Suche zu gehen. Ein Wildschwein nachts zu suchen wäre aber verantwortungslos. Das wird dann erst am nächsten Morgen gemacht. Klassische Schweißhunde, aber auch manche Dackel oder Bracken können eine zwei Tage alte Spur mühelos verfolgen.

          Wieso wäre es verantwortungslos?

          In der Dunkelheit nach einem Wildschwein zu suchen, wäre zu riskant. Das Wildschwein ist ein wehrhaftes Wild. Vor allem die Keiler, aber auch die älteren Bachen haben messerscharfe Eckzähne. Diese laufen quasi übereinander und schärfen sich gegenseitig. Wenn ein Wildschwein einen Menschen angreift, geht es meistens zwischen die Beine und haut um sich. Trifft es mit den Eckzähnen die Hauptschlagader an der Schenkelinnenseite, kann das tödlich sein, weil diese Blutung nur sehr schwer zu stoppen ist. Deshalb habe ich auf der Nachsuche immer eine spezielle Hose mit Stichschutz an. Bei Jägern, die regelmäßig Nachsuchen machen, ist das Standard.

          Wildschweine sind für Jäger am gefährlichsten?

          Es ist das einzige wehrhafte heimische Wild. Ein Reh etwa würde immer versuchen zu fliehen und nicht angreifen. Sonst kann allenfalls die Suche nach einem ausgewachsenem Hirsch, etwa in der Brunftzeit, so brenzlig werden.

          Lassen Wildschweine von einem Menschen ab, wenn er auf dem Boden liegt?

          Normalerweise lassen sie dann ab. Ich habe aber auch schon von Fällen gehört, in denen sie dann angefangen haben zu beißen. Grundsätzlich gilt: Wenn Wildschweine sich oder ihren Nachwuchs bedroht sehen, greifen sie an. Das betrifft nicht nur Jäger, sondern auch viele Hundebesitzer. In Berlin habe ich schon selbst erlebt, wie eine Hundebesitzerin von einer Bache, die kurz davor war, ihre Junge zu kriegen, umgeworfen und attackiert wurde. Das ist aber noch einmal glimpflich ausgegangen. Begegnet man einer Wildschweinrotte, gibt es nur eins: Rückzug.

          Was bedeutet Rückzug in diesem Fall?

          Wildschweine haben immer Vorfahrt. Steht die Rotte auf dem Parkweg, muss ich einen Umweg in Kauf nehmen und den Hund an die Leine nehmen. Wichtig: Sackgassen-Situationen vermeiden, also Wildschweinen immer eine Rückzugmöglichkeit lassen. Wenn die Leitbache den Pürzel, also den Schwanz, steil in die Höhe stellt und laut Luft ausbläst, dann ist sie sehr erregt. Das letzte Warnzeichen: Sie schlägt die Eckzähne laut aufeinander. Danach wird das Wildschwein zumindest einen Scheinangriff machen.

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